Gendefekt verhindert Selbstreinigung – münsterisches Forscherteam entschlüsselt Lungenkrankheit

Betroffene Patienten leiden unter wiederkehrendem Husten, Schnupfen und Mittelohrentzündungen sowie Lungenentzündungen, zum Teil mit schwerwiegenden Folgen. Ihre Entdeckung, so die Hoffnung der Forscher, soll künftig eine Diagnose der Erkrankung sowie eine frühzeitige Therapie ermöglichen.

Die Lunge hält sich rein: Wie ein Förderband transportiert ein Teppich aus beweglichen Flimmerhärchen und Schleim Schmutz, Zellabfälle und Bakterien aus den Atemwegen in den Rachen. Wird dieser Mechanismus gestört, steigt das Risiko für Lungenentzündungen.

Bekannte Ursachen dafür sind etwa das Rauchen und bakterielle Infektionen. Forscher der Universität Münster haben nun eine bisher unbekannte Lungenkrankheit entschlüsselt – sie entsteht bei Menschen, die durch einen Gendefekt von Geburt an zu wenig Flimmerhärchen bilden. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Genetics“ veröffentlicht worden.

„Die Flimmerhärchen sitzen auf der Oberfläche der Zellen, mit denen die Nase, die Luftröhre und ein Teil der Bronchien ausgekleidet sind“, erläutert Prof. Dr. Heymut Omran, Direktor der Universitätskinderklinik Münster. „Sie sind von einem dünnflüssigen Schleim überzogen, auf dem kleine Partikel haften bleiben.

Die Flimmerhärchen schlagen in einem koordinierten, wellenförmigen Muster etwa 1000 Mal pro Minute in Richtung Rachen – und transportieren den Schleim mit den Fremdpartikeln damit aus dem Atemsystem.“ Für die Lunge potentiell schädliche Partikel werden dann entweder reflexartig heruntergeschluckt oder ausgehustet. Die Flimmerhärchen sind damit die wichtigste Körperabwehr zur Vermeidung von Infektionen.

Ein Team aus Ärzten und Biologen unter Omrans Leitung befasst sich seit mehreren Jahren mit schweren Erkrankungen der Atemwege. Nun haben die Forscher erstmals einen Gendefekt entschlüsselt, der dazu führt, dass der Körper zu wenig Flimmerhärchen bildet. Das Gen CCNO, das die Bildung des Proteins Cyclin O steuert, ist bei Betroffenen mutiert. Dadurch produziert der Körper weniger Zentriolen, die für die Flimmerhärchenbildung notwendig sind. Betroffene Patienten leiden unter stetig wiederkehrendem Husten, Schnupfen und Mittelohrentzündungen.

Lungenentzündungen führen zur Zerstörung der Lungenarchitektur mit unumkehrbaren sackförmigen Ausweitungen der Atemwege (Bronchiektasen). Bei einigen Patienten verläuft die Krankheit so schwer, dass eine Lungentransplantation notwendig wird. „Bislang konnte diese Lungenerkrankung nicht diagnostiziert werden, weil gängige diagnostische Methoden sie nicht erfassen können“, sagt Omran – „viele Patienten werden deshalb nicht richtig behandelt.“ Das münstersche Team hofft nun, durch eine frühzeitige Diagnose und konsequente Therapie die Lebensqualität und Prognose der Patienten deutlich zu verbessern.

Redaktion:

Medizinische Fakultät der WWU/Referat Presse & Public Relations
Dr. Thomas Bauer (Leitung)
Telefon: 0251 – 83 58937
E-Mail: thbauer@uni-muenster.de

Publikation:

Wallmeier, Julia et al. (2014): Mutations in CCNO result in congenital mucociliary clearance disorder with reduced generation of multiple motile cilia. In: Nature Genetics, Online-Veröffentlichung am 20. April 2014. doi: 10.1038/ng.2961

http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/abs/ng.2961.html Originalpublikation

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