Ein Gen, das Schmerzen steuert

In der Arbeit, die am 12. November 2010 erschienen ist1), wird ein integrativer Suchansatz vorgestellt, der in der modernen Biologie einzigartig ist: Die Forscher griffen dabei auf die Tatsache zurück, dass Organismen, die äußerlich scheinbar nicht miteinander vergleichbar sind, sich in ihren genetische Anlagen oft gar nicht sehr unterscheiden. Zunächst wurde in winzigen Fruchtfliegenlarven ein Gen entdeckt, das dafür sorgt, dass Fruchtfliegenlarven hohen Temperaturen aus dem Weg gehen.

Dieses Gen ist auch in der erwachsenen Fruchtfliege aktiv – hier sorgt es ebenfalls dafür, dass hohe Temperaturen gemieden werden. Ein fast identisches Gen ließ sich in der Maus nachweisen. Mäuse, bei denen dieses Gen deaktiviert ist, zeigten eine deutlich verminderte Wahrnehmung von Hitzeschmerz.

Schließlich konnte das humane Analog-Gen beim Menschen identifiziert werden. Wie vermutet, ergab sich, dass Menschen mit einem Defekt dieses Gens eine verminderte Hitzeschmerz-Wahrnehmung aufweisen. Dasselbe Gen scheint auch für das Phänomen der Synästhesie verantwortlich zu sein. Dabei kommt es zur Aktivierung von zusätzlichen Sinneswahrnehmungen, etwa von Gerüchen oder Farben. Schmerzen können beispielsweise als rot empfunden werden.

Moderne Technik, komplexe Einsichten
Alle diese Untersuchungen wurden erst durch modernste Technik möglich. Dabei brachte die Wiener Gruppe um Penninger vor allem ihr molekular-genetisches Können und Wissen ein. Die Arbeitsgruppe um Woolf in Boston organisierte die experimentellen Schmerzuntersuchungen bei Maus und Mensch, und die Erlanger Gruppe nutzte die funktionellen Kernspintomographie-Methoden, die Dr. Andreas Hess am Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie der FAU entwickelt hatte (vgl. Abb.). Damit war es möglich festzustellen, wie das neu entdeckte Gen daran mitwirkt, ob und in welchem Ausmaß Mäuse Schmerzen verspüren.

Diese umfangreiche, von zahlreichen Fachleuten auf der ganzen Welt unterstützte Arbeit zeigt, in welchem Umfang die internationale Kollaboration zu neuen, sehr komplexen Einsichten in Vorgänge führen. Derart bahnbrechende Ergebnisse sind z. B. geeignet, neue Schmerzmittel zu entwickeln und zu verstehen, warum ein großer Teil der chronisch Schmerzkranken in Deutschland noch keine befriedigende Therapie erhalten kann.

„Wir freuen uns, dass unsere langfristige Entwicklungsarbeit auf dem Gebiet der nicht-invasiven Kernspintomographie beim Versuchstier, wie hier der genetisch modifizierten Maus, zu derartigen Erfolgen führen kann. So wird die notwendige Entwicklung besserer Schmerzmittel ermög­licht, ohne dass belastende Tierversuche an Säugetieren vorgenommen werden müssen“, erklärt Prof. Brune, Inhaber der Erlanger Doerenkamp-Stiftungsprofessur für Innovationen im Tier- und Verbraucherschutz. „Alles andere geschieht an der Fruchtfliege oder – schmerzfrei – beim Menschen.“ Im Prinzip schmerzhafte Untersuchungen an Mäusen werden durch die Anwendung der Kernspintomographie schmerzfrei durchgeführt: Die Versuchstiere waren während der Untersuchung in Narkose.

1) Neely et al., A Genome-wide Drosophila Screen for Heat Nociception Identifies a2d3 as an Evolutionarily Conserved Pain Gene, Cell (2010), 143: 1-11.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Kay Brune
Tel.: 09131-85-22292
kay.brune@pharmakologie.med.uni-erlangen.de

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Pascale Anja Dannenberg idw

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