Gedächtnisse von Fruchtfliegenlarven komplexer als gedacht: neue Studie zum assoziativen Lernen

Die Larven in der Petrischale bewegen sich zu einem der beiden Düfte, die sich in den kleinen, weißen Containern befinden. LIN

Die Forscher um Prof. Dr. Bertram Gerber und Dr. Michael Schleyer vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg haben sich in einer kürzlich im Fachmagazin eLife erschienenen Studie damit beschäftigt, was in den Larven bei der Nahrungssuche vorgeht. Dabei spielen auch Duftgedächtnisse eine Rolle, die reichhaltiger sind als bisher gedacht.

Die vier Millimeter großen Fliegenlarven können lernen, dass nur einer von zwei Düften stets gemeinsam mit einer Belohnung wie beispielsweise Zucker auftritt. Dann werden die Tiere getestet, indem man die Larven vor die Wahl zwischen beiden Gerüchen stellt.

Das gebildete assoziative Gedächtnis bewirkt, dass sich die Tiere lieber zu dem Duft hin bewegen, den sie mit der Zuckerbelohnung verbinden. Das zugrundeliegende Verhalten ist eine Suche nach der Belohnung: Die Larven wählen den Duft, weil sie dort erneut die Belohnung zu finden hoffen. Finden sie diese vor, stellen sie ihre Suche ein. Doch wonach genau suchen die Tiere?

Die Wissenschaftler am LIN haben zunächst gezeigt, dass die Tiere nach einer bestimmten Menge an Belohnung suchen. Ist die Zuckerkonzentration im Testmoment geringer als die mit dem Duft verbundene Belohnung, suchen die Tiere weiter. Überraschend ist: Das Gleiche geschieht, wenn man ihnen eine gleichwertige, aber andersartige Belohnung präsentiert, beispielsweise den Eiweißbestandteil Asparaginsäure.

„Die Larve kann sich also an die Menge und die Art der Belohnung erinnern, die sie im Zusammenhang mit einem bestimmten Geruch bekommen hat“, so Michael Schleyer. Deshalb setzt die Larve ihre Suche fort, solange sie nicht genau die Belohnung gefunden hat, die sie sucht. „Mit solchen Verhaltensexperimenten lässt sich den Larven ‚ablauschen’, was der Inhalt ihrer Gedächtnisse ist“, ergänzt Bertram Gerber.

Ähnliche Versuche wurden auch mit dem Bitterstoff Chinin und einer hohen Salzkonzentration als Bestrafung durchgeführt. Die Ergebnisse waren entsprechend: Die Larven können sich sowohl an die Stärke als auch an die Art der Bestrafung erinnern.

Diese Komplexität der gespeicherten Erinnerungen hat die Forscher überrascht. „Die Fliegenlarven haben nur rund 10.000 Nervenzellen in ihrem Gehirn. Die Reichhaltigkeit an Erinnerungen, die schon ein so einfaches Gehirn ermöglicht, ist erstaunlich“, fasst Versuchsleiter Gerber die Ergebnisse zusammen.

Die Studie ist online verfügbar unter: http://elifesciences.org/content/4/e04711

Zum Hintergrund: Wie funktioniert assoziatives Lernen?

Zum Lernen wird den Tieren zunächst auf einer zuckerhaltigen Schale ein Duft präsentiert. Während sich die Larven vollfressen, nehmen sie den Geruch wahr; dann werden sie auf eine geschmacklose Schale gebracht und einem anderen Duft ausgesetzt. Nachdem man diese Prozedur drei Mal wiederholt hat, kommen sie in eine Testschale und können zwischen den beiden Düften auf den beiden Seiten wählen. Wenn die Larven etwas gelernt haben, wandern sie zu dem Geruch, der vorher auf der zuckrigen Schale zu riechen war. Das ist eine klassische Konditionierung, wie sie Pawlow mit seinen Hunden durchgeführt hat.

http://elifesciences.org/content/4/e04711

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Sophie Ehrenberg idw - Informationsdienst Wissenschaft

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