Fossilien – Uralter Vertreter skurriler Gliederfüßer entdeckt

Sie jagten vor etwa 435 Millionen Jahren in flachen Meeresbereichen nach Beute: Skurrile vielbeinige Tiere mit einem zweiklappigen, schildartigen Panzer. Eine Gruppe von Wissenschaftlern um die LMU-Biologin Carolin Haug konnte nun nachweisen, dass sie zu einer bisher unbekannten Art gehören.

Die neu beschriebene Art Thylacares brandonensis ist der älteste gesicherte Vertreter der sogenannten Thylacocephala, einer heute ausgestorbenen Tiergruppe, die zu den Gliederfüßern gehört. „Wo genau die Thylacocephala innerhalb der Gliederfüßer einzuordnen sind, ist allerdings immer noch umstritten“, sagt Haug, die nun mehr Licht in die Verwandtschaftsverhältnisse bringen konnte.

Spezielle Details der Anatomie von T. brandonensis und detaillierte Untersuchungen von jüngeren Fossilien anderer Thylacocephala-Arten unterstützen nach Ansicht der Forscher die Hypothese, dass die Thylacocephala zu den Krebstieren gehören.

Die Anatomie ihrer Beine und fluoreszenzmikroskopische Analysen der Muskelstrukturen legen die Vermutung nahe, dass sie eine Schwestergruppe der sogenannten Remipedia sind. Remipedia sind blinde Krebstiere, die vor allem in tropischen meerüberfluteten Kalksteinhöhlen leben und erst in den 1980er Jahren entdeckt wurden.

„Dass die Einordnung der Thylacocephala so schwierig ist, liegt auch an ihrem skurrilen Aussehen“, sagt Haug, „lange wurde sogar gestritten, wo überhaupt hinten und vorne ist“. Die meisten bisher bekannten Thylacocephala-Arten kennt man von jurazeitlichen Fossilien, die mit rund 200 bis 250 Millionen Jahren deutlich jünger als die Neuentdeckung sind.

Diese Fossilien fallen durch ungewöhnlich große Augen und riesige Raubbeine auf, die so lang sind wie der gesamte Körper – vermutlich eine Anpassung an die räuberische Lebensweise. „Die Augenwurden von manchen Wissenschaftlern zunächst nicht als solche erkannt, sondern für den Magen gehalten“, erzählt Haug. T. brandonensis zeigt sich im Vergleich deutlich bescheidener und einfacher: „Die Vertreter dieser Thylacocephala-Art sehen viel ´normaler´ aus“, so Haug, „die Augen sind kleiner und auch die Raubbeine sind kürzer“.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass T. brandonensis zwar wie seine jüngeren Verwandten räuberisch lebte, aber noch nicht so stark spezialisiert war und sich die spezielle Morphologie erst im Lauf der Evolution entwickelte. „Möglicherweise war die starke Spezialisierung auch ein Weg in die evolutionäre Sackgasse“, vermutet Haug, „denn am Ende der Kreidezeit, als auch viele andere Tiergruppen von der Erde verschwanden, starben die Thylacocephala aus“. Vorher allerdings waren sie mehr als 350 Millionen Jahre lang eine sehr erfolgreiche Gruppe gewesen.
BMC Evolutionary Biology 2014
Göd

Publikation
The implications of a Silurian and other thylacocephalan crustaceans for the functional morphology and systematic affinities of the group.
C. Haug, D.E.G. Briggs, D.G. Mikulic, J. Kluessendorf, J.T. Haug
BMC Evolutionary Biology 2014
http://www.biomedcentral.com/1471-2148/14/159

Kontakt:
Dr. Carolin Haug
Department Biologie II
Zoologie – Funktionelle Morphologie der Tiere
Tel.: ++49 (0)89 2180 74171
Email: chaug@bio.lmu.de
http://www.zoology.bio.lmu.de/personen/chaug/index.html

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Luise Dirscherl idw - Informationsdienst Wissenschaft

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