Fortschritte in der Diabetes-Behandlung mit Stammzellen?

Tierversuche sind häufig nötig, um neue Therapien zu testen und abzuschätzen, ob sie überhaupt beim Menschen wirken könnten. „Aber die Vorhersagekraft von Tierexperimenten ist auch begrenzt“, sagt Prof. Hans-Joachim Anders von der Ne-phrologie und Allgemeinen Inneren Medizin am Klinikum der Universität München.

Um dieses Problem zumindest für neue Therapien gegen die verschiedenen Folgeschäden des Diabetes anzugehen, haben Anders´ Team und zehn Partner-Gruppen aus verschiedenen europäischen Ländern eine neue Test-Plattform gegründet.

„Sie soll uns relativ sichere Aussagen darüber ermöglichen, ob eine innovative Behandlung für Diabetes-Patienten vielversprechend ist“, sagt der Mediziner. Die erste Therapie, die es zu testen gilt, beruht auf menschlichen Stammzellen. Das Projekt wird drei Jahre lang von der Europäischen Union mit sechs Millionen Euro unterstützt.

Der Diabetes ist eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Allein in Europa nehmen geschätzte 60 Millionen Leute Medikamente, um ihre erhöhten Blutzuckerspiegel auf normale Werte zu bringen. Nicht oder schlecht „eingestellte“ Diabetiker leiden oft an Folgeschäden im ganzen Körper: Sie können erblinden, ihre Nierenfunktion nimmt ab, ihre Nerven veröden, ihre Gefäße verstopfen mit entsprechenden Folgen wie Herzin-farkt oder Schlaganfall, ihre Wunden heilen nicht.

Haben Forscher eine mögliche neue Therapie beispielsweise gegen die diabetischen Nierenschäden entdeckt, testen sie die Behandlung an sogenannten Tiermodellen – etwa an Mäusen, die genetisch so verändert sind, dass sie an Diabetes und Nierenschäden erkranken. Ob und wie sie auch gegen die andere Folgeschäden wirken könnte, wurde bislang nicht geprüft. „Das ändern wir mit unserem Projekt REDDSTAR“, sagt Anders, ein Experte für diabetische Nierenschäden. Das heißt im Klartext: Die Münchner Gruppe wird Gewebeproben an die am Projekt beteiligten Forschergruppen schicken, die auf andere Organkomplikationen spezialisiert sind. Und umgekehrt.

Als erstes testen die Wissenschaftler eine Therapie mit menschlichen Stammzellen, die von einer irischen Firma mit einem neuen Verfahren aufbereitet wurden. Das Ziel: „Zu sehen, ob diese Stammzellen einen günstigen Effekt auf vielleicht alle, aber vielleicht nur einige Organe hat“ wie Hans-Joachim Anders es formuliert, „und wenn mehrere unserer Partnergruppen positive Effekte feststellen würden, wären wir zuversichtlich, dass man das auch beim Menschen erwarten kann.“ Bisherige Experimente deuten darauf hin: Solche Stammzellen können den Diabetes-bedingten schädlichen Umbau der verschiedenen Gewebe günstig beeinflussen, indem sie Wachstumsfaktoren freisetzen. Sie ersetzen verloren gegangenes Gewebe offenbar aber nicht selbst, wie früher angenommen.

Die Forscher planen auch eine Patientenstudie, allerdings aus-schließlich an einem dänischen Diabeteszentrum. Doch am Nephrologischen Zentrum am Klinikum der Universität München prüfen Anders und seine Kollegen derzeit in einer großen klinischen Studie andere innovative Therapieansätze. Zum Beispiel ein neues antientzündliches Medikament, das die Entzündung in den Nieren von Diabetikern vermindern und den Verlust der Nierenfunktion verlangsamen soll. „Wir haben an der Entwicklung des Behandlungskonzepts selbst mitgewirkt“, erklärt Anders, „im Tierversuch hat sie sehr gut funktioniert.“ Sie verhindert, dass Entzündungszellen in die Nieren einwandern. Für diese Studie suchen die Ärzte noch Patienten mit Typ2- oder Typ1-Diabetes. Interessenten melden sich bitte im Nephrologischen Zentrum der Ludwig-Maximilians Universität München (089-51603325).
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Hans-Joachim Anders
Medizinische Klinik IV
Klinikum der Universität München – Campus Innenstadt
Allgemeinmedizin und Nephrologie
Tel: +49 (0)89 / 5160-3325
E-Mail: hans-joachim.anders@med.uni-muenchen.de

Klinikum der Universität München
Im Klinikum der Universität München (LMU) sind im Jahr 2012 an den Standorten Großhadern und Innenstadt 473.000 Patienten ambulant, teilstationär und stationär behandelt worden. Den 45 Fachkliniken, Instituten und Abteilungen sowie den 45 interdisziplinären Zentren stehen 2.080 Betten zur Verfügung. Von insgesamt über 10.000 Beschäftigten sind rund 1.800 Mediziner und 3.400 Pflegekräfte. Das Klinikum der Universität München hat im Jahr 2012 rund 78 Millionen Euro an Drittmitteln verausgabt und ist seit 2006 Anstalt des öffentlichen Rechts.

Gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität ist das Klinikum der Universität München an fünf Sonderforschungsbereichen der DFG (SFB 455, 571, 596, 684, 914), an drei Transregios (TR 05, 127, 128), zwei Forschergruppen (FOR 535, 809) sowie an zwei Graduiertenkollegs (GK 1091, 1202) beteiligt. Hinzu kommen die vier Exzellenzcluster „Center for Integrated Protein Sciences“ (CIPSM), „Munich Center of Advanced Photonics“ (MAP), „Nanosystems Initiative Munich“ (NIM) und „Munich Cluster for Systems Neurology“ (SyNergy) sowie die Graduiertenschulen „Graduate School of Sys-temic Neurosciences“ (GSN-LMU) und „Graduate School of Quantitative Biosciences Munich (QBM)“.

Media Contact

Philipp Kressirer Klinikum der Universität München

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