Forscher entdecken neues Protein-Faltmuster mit Transporttunnel

Neues Protein-Faltmuster entdeckt: An den Kopf (rote Spiralen) kann dieses Protein ein Enzym und Viren binden. Der Tunnel in der Proteinstruktur ist gelb dargestellt.<br><br>Foto: Universität Bielefeld<br>

Bislang war unklar, wie das Protein aussieht und wie genau es arbeitet. Privatdozent Dr. Michael Schwake von der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld erforscht das Protein – und leistet so Vorarbeit für künftige Therapien.

Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen in Kiel, Toronto und Boston hat er nun herausgefunden, dass das Protein LIMP 2 eine bislang einzigartige Faltstruktur besitzt, zu der ein nanomikroskopisch kleiner Transporttunnel gehört.

Ihre Ergebnisse haben sie am Sonntag (27. Oktober) in dem weltweit bekannten Wissenschaftsjournal „Nature“ publiziert.

Proteine setzen sich aus Aminosäuren zusammen. Diese sind zwar wie an einer Schnur aufgereiht, ergeben aber ein verzwirbeltes dreidimensionales Geflecht aus Spiralen und Faltblättern. Erst durch diese Faltung können sie in biologischen Zellen wirken. „Wir entschlüsseln den Aufbau von Proteinen, um so herauszubekommen, wie in ihnen biochemische Prozesse ablaufen“, sagt Schwake.

Für die Erforschung von LIMP-2 haben Schwakes Kollegen von der kanadischen University of Toronto das Protein kristallisiert. Dadurch kann mittels der Röntgenstrukturanalyse die Kristallstruktur des Proteins ermittelt werden. „In der Analyse der Aufnahmen haben wir ein Faltmuster entdeckt, das bislang für kein anderes Protein beschrieben wurde“, sagt Schwake.

LIMP-2 kommt in allen Zellen des menschlichen Körpers vor. Es sitzt hauptsächlich in den Lysosomen der Zellen und sorgt dafür, dass ein bestimmtes Enzym dorthin gelangt. Lysosomen sind die „Mägen“ der Zelle und bauen schädliche und unbrauchbare Stoffe ab. Das bestimmte Enzym namens Beta-Glucocerebrosidase ist dafür zuständig, Fette zu zersetzen. Wenn das Enzym defekt ist oder nicht in die Lysosomen gelangt, reichern sich diese Fette an. Biochemiker vermuten, dass so die Erkrankung Gaucher-Syndrom entsteht, die zu vergrößerter Leber und Milz führt.

Die Untersuchungen von Schwake belegen, wie das Enzym von LIMP-2 transportiert wird. Das Protein hat einen „Kopf“ aus mehreren Spiralen, an dem das Enzym andockt. „Wir konnten außerdem nachweisen, dass das Protein mit einen Tunnel ausgestattet ist, mit dem es Stoffe durch Membranen leitet“, berichtet Schwake. Die Biochemiker haben festgestellt, dass über diesen Kanal mit hoher Wahrscheinlichkeit Fette aus dem Lysosom heraustransportiert werden. „Das haben wir über einen Vergleich der Struktur von LIMP-2 mit verwandten Proteinen ermittelt“, sagt Schwake. Für zwei dieser Vergleichsproteine steht fest, dass sie Fette binden und transportieren. Der Vergleich legt nahe, dass LIMP-2 über die gleiche Fähigkeit verfügen muss.

Für die Entwicklung einer Therapie ist Schwake als Biochemiker nicht zuständig – er kümmert sich um die Grundlagenforschung, also um das Verständnis dafür, wie die Proteine in den Zellen arbeiten. „Auf Basis unserer Ergebnisse könnten sich Wirkstoffe entwickeln lassen, um Erkrankungen zu kurieren“, erklärt er. „Durch unsere Forschung ist nun bekannt, dass Fette über den Kopf und den Tunnel aufgenommen werden. Will man das verhindern, könnte man die Aufnahme an diesen Stellen künftig gezielt unterbrechen“, sagt Schwake.

PD Dr. Michael Schwake leitet seit Februar 2013 eine Forschungsgruppe im Arbeitsbereich Biochemie III an der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld. Der Arbeitsbereich wird von Professorin Dr. Gabrielle Fischer von Mollard geleitet. Zuvor forschte er am Institut für Biochemie der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel und an der Stanford University (Kalifornien). Schwake promovierte 2001 am Zentrum für molekulare Neurobiologie Hamburg und habilitierte 2007 an der CAU. Für die Studie zu LIMP-2 arbeitete er mit Professor Dr. Paul Saftig vom Biochemischen Institut der CAU zusammen. Außerdem kooperierte er mit Forscherinnen und Forschern des Dana-Farber Cancer Institute in Boston (USA), der University of Toronto (Kanada), dem Li Ka Shing Knowledge Institute und dem SickKids Research Institute, beide in Toronto.

Originalveröffentlichung:
Dante Neculai, Michael Schwake, Mani Ravichandran, Friederike Zunke, Richard Collins, Judith Peters, Mirela Neculai, Jonathan Plumb, Peter Loppnau, Juan Carlos Pizarro, Alma Seitova, William S. Trimble, Paul Saftig, Sergio Grinstein, Sirano Dhe-Paganon: Structure of LIMP-2 provides functional insights with implications for SR-BI and CD36, Nature, http://dx.doi.org/ 10.1038/nature12684, [Titel anhand dieser DOI in Citavi-Projekt übernehmen] online erschienen am 27. Oktober 2013.
Kontakt:
PD Dr. Michael Schwake, Universität Bielefeld
Fakultät für Chemie
Telefon: 0521 106-2091
E-Mail: michael.schwake@uni-bielefeld.de

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