Dem flüchtigen Quecksilber im Atlantik auf der Spur

Die Quecksilberemissionen des Atlantiks hat eine Forschergruppe unter der Federführung des Leibniz-Institutes für Ostseeforschung Warnemünde zum ersten Mal durch umfangreiche Messungen bestimmt. Die Forscher Joachim Kuss, Christoph Zülicke, Christa Pohl und Bernd Schneider gingen zwei Fragen nach:

1. Welche Rolle spielen die Jahreszeiten bei dem Vorgang, der Quecksilber aus dem Ozean als flüchtiges Gas austreten lässt und

2. Wie ist das Quecksilber im Atlantik räumlich verteilt?

Quecksilber ist ein für Mensch und Tier potentiell schädliches Element. Sein Verhalten in der Umwelt zu verstehen, ist daher von großem gesellschaftlichem Interesse. Die Menge an Quecksilber, die in der Natur zirkuliert, hat sich durch menschliche Aktivitäten etwa verdreifacht. Trotz umfangreicher langjähriger Forschungsprogramme ist das Wissen über den Quecksilberkreislauf aber immer noch lückenhaft.

Das vorrangig in die Atmosphäre abgegebene Quecksilber verbreitet sich als elementares, flüchtiges Quecksilber weltweit. Nur langsam wird es in der Atmosphäre oxidiert und dann an Staubteilchen gebunden. Regenfälle waschen den Staub und das ihm anhaftende Quecksilber aus der Atmosphäre und tragen es in den Weltozean ein. Während viele andere Schwermetalle den Kreislauf zum Teil verlassen, indem sie an Partikel gebunden zum Meeresboden transportiert werden, kann Quecksilber durch Licht in die flüchtige elementare Form zurück verwandelt werden. Dies kann mit und ohne die Beteiligung von Algen geschehen. So kann es dem Meer wieder entweichen und sich weiter ausbreiten. Welche Mengen freigesetzt werden, ist schwer zu bestimmen und Messdaten standen bislang kaum zur Verfügung.

Auf zwei Forschungsfahrten mit dem Forschungsschiff „Polarstern“ zwischen dem Ärmelkanal und Südafrika und – ein halbes Jahr später – vom südlichen Südamerika nach Deutschland wurde daher ein intensives Messprogramm durchgeführt, um die Konzentration des flüchtigen (elementaren) Quecksilbers im Oberflächenwasser und der Atmosphäre zu erfassen.

Erstaunlich war für die Forscher vom IOW die Feststellung, dass besonders viel elementares Quecksilber wider Erwarten nicht in den industrialisierten mittleren Breiten der Nordhemisphäre gefunden wurde, sondern in der tropischen Zone des Atlantiks.

Joachim Kuss und seine Kollegen erklären dies mit der Tatsache, dass die Rahmenbedingungen für die Entstehung der flüchtigen Form des Quecksilbers hier besonders günstig sind. Sie beschreiben, wie das tropische Klima in mehreren Schritten die Emissionen befördern können:

Während die starken tropischen Regenfälle zuerst besonders wirkungsvoll oxidiertes Quecksilber aus der Atmosphäre in die Ozeane waschen, bewirkt die starke Sonneneinstrahlung anschließend, dass sich das Quecksilber in die flüchtige Form umwandelt und in den oberen 20 m des tropischen Atlantiks anreichert. Über die Meeresoberfläche abgegeben wird das Quecksilber aber erst, wenn der Wind stärker wird. Das passiert hier, indem sich die kräftigen Passatwinde über die mit Quecksilber angereicherten Meeresgebiete schieben. Damit herrschen im tropischen Atlantik die besten Voraussetzungen, dass Quecksilber hier das ganze Jahr entweichen kann.

Die Beobachtungen führten auch zu einer weiteren neuen These: Bisher gingen die modellierenden Atmosphärenforscher davon aus, dass die jahreszeitliche Quecksilberemission der Ozeane neben der Sonneneinstrahlung auch an das Auftreten von Algen gekoppelt ist. Nach den neuen Messungen scheint die pauschale Kopplung an das Algenwachstum aber nicht richtig zu sein, da dann besonders starke ozeanische Emissionen in den mittleren Breiten jeweils im Frühjahr zur Algenblüte zu erwarten wären. Gerade in dieser Zeit fanden sie aber keine erhöhten Emissionen. Diese erfolgen im Herbst (November im Nordatlantik und im April/Mai im Südatlantik).

Aufgrund der Messungen im Nord- und Südatlantik während der Monate November und April/Mai lässt sich auch eine plausible Schätzung der jährlichen globalen Emission anfertigen. Die Hochrechnung ergibt zwei Millionen Kilogramm Quecksilber als jährliche Emission des Weltozeans, die in etwa gleich der jährlichen anthropogenen Emission ist und gut mit den theoretischen Vorhersagen aus Modellen übereinstimmt. Deutliche Abweichungen zeigten sich jedoch bei der jahreszeitlichen und räumlichen Bedeutung der Prozesse. Hier konnten die Warnemünder Forscher aufklären. Weitere weltweite Messkampagnen und lokale Prozessstudien sind notwendig, um ein tieferes Verständnis des marinen Quecksilberkreislaufes zu erlangen.

Kontakte für Rückfragen:
Dr. Joachim Kuss, 0381 / 5197 314
Sektion Meereschemie, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde
oder
Dr. Barbara Hentzsch, 0381 / 5197 102
Direktorat / Öffentlichkeitsarbeit, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der zurzeit 87 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 16.800 MitarbeiterInnen, davon sind ca. 7.800 WissenschaftlerInnen, davon wiederum 3.300 NachwuchswissenschaftlerInnen. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,4 Mrd. Euro, die Drittmittel betragen etwa 330 Mio. Euro pro Jahr.

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Dr. Barbara Hentzsch idw

Weitere Informationen:

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