Fliegen bieten Einblicke in die Entwicklungsgeschichte der menschlichen Sprache

Drosophila-Taufliege im Flug

Sie fanden heraus, dass die Urform (FoxP) bei Fruchtfliegen für das Erlernen bestimmter Bewegungen notwendig ist. Aufgrund dieser Entdeckung lassen sich die Wurzeln der Sprache mehr als 500 Jahrmillionen zurückverfolgen; lange bevor das erste Wort überhaupt gesprochen wurde. Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift „PLoS One“ erschienen (DOI: 10.1371/journal.pone.0100648).

„Sprachgebrauch setzt zunächst die richtige Artikulation von unterschiedlichen Lauten voraus“, so Prof. Dr. Björn Brembs vom Institut für Zoologie der Universität Regensburg, der das internationale Forscherteam koordinierte.

„Um dies zu schaffen, müssen unsere Muskeln in Lippe, Zunge und Kehlkopf perfekt zusammenarbeiten. Als Kleinkinder erlernen wir diese Fähigkeiten über das Brabbeln“, ergänzt Prof. Dr. Constance Scharff von der Freien Universität Berlin, die die Bedeutung von FoxP bereits für die Entwicklung der Singfähigkeiten von Vögeln nachgewiesen hat.

Die Wissenschaftler untersuchten Fruchtfliegen im Rahmen eines speziellen Lernexperiments, das sich an Prozessen des Spracherwerbs bei Wirbeltieren orientierte. Ähnlich wie Kleinkinder und Singvögel mussten die Fruchtfliegen unterschiedliche Bewegungen mit ihren Flügelmuskeln ausprobieren, um zu lernen, wohin sie fliegen sollten und wohin nicht.

Mit einem Wärmestrahl trainierten die Wissenschaftler die Fliegen, eine Bewegung in eine bestimmte Richtung zu vermeiden und entsprechend andere Lenkmanöver durchzuführen. Fruchtfliegen mit einem durch die Forscher manipulierten FoxP-Gen versagten bei diesem Experiment, im Gegensatz zu den unveränderten Kontroll-Exemplaren.

Allerdings hatten die mutierten Fliegen keine Probleme damit, eine bestimmte Flugrichtung zu vermeiden, sofern diese von den Wissenschaftlern an die Darstellung einer bestimmten Farbe gekoppelt wurde. Dieser Befund ist auch beim Menschen bei Patienten mit Mutationen des FOXP2-Gens nachzuweisen.

„Ebenfalls deckungsgleich mit der Funktion der FoxP-Varianten bei Menschen und Vögeln ist die Beobachtung, dass sich die Struktur von Regionen des Gehirns von Fruchtfliegen im Falle einer FoxP-Mutation verändert. Dies deutet darauf hin, dass FoxP auch andere Gene im Rahmen der Gehirnentwicklung reguliert“, sagt Dr. Jürgen Rybak vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena, der die morphologischen Untersuchungen der Fliegen-Gehirne vorgenommen hat.

Die Ergebnisse des Forscherteams legen die Vermutung nahe, dass Prozesse des motorischen Lernens und Formen des Spracherwerbs gemeinsame Wurzeln haben, die noch heute bei wirbellosen Tieren zu finden sind. Möglicherweise liegt der Ursprung – noch vor der Trennung in Wirbeltiere und wirbellose Tiere vor über 500 Jahrmillionen – bei einem Vorfahren, der die Fähigkeit zum Lernen über Versuch und Irrtum entwickelt hatte.

„Vermutlich wurde die Fähigkeit zum Lernen über Versuch und Irrtum zu einem Zeitpunkt nutzbar gemacht, als sich die Stimmbildung bei Wirbeltieren im Allgemeinen und der Sprachgebrauch beim Menschen im Besonderen entwickelte“, erklärt Prof. Brembs.

Für Prof. Dr. Troy Zars von der University of Missouri in Columbia, der 2007 erstmals das FoxP-Gen im Genom von Fliegen entdeckte, ergeben sich vor diesem Hintergrund bemerkenswerte Schlüsse.

„Die Untersuchung der FoxP-Variante bei Fruchtfliegen liefert uns einen Startpunkt für ein tieferes Verständnis der Gene, die beim Lernen durch Versuch und Irrtum sowie bei der artspezifischen Kommunikation eine Rolle spielen. Unsere Ergebnisse könnten zudem dabei helfen, die genetischen Grundlagen bestimmter Erkrankungen beim Menschen – zum Beispiel von Schizophrenie – zu klären“, so Prof. Zars.

Titel des Original-Artikels:
Ezequiel Mendoza, Julien Colomb, Jürgen Rybak, Hans-Joachim Pflüger, Troy Zars, Constance Scharff, Björn Brembs: Drosophila FoxP Mutants Are Deficient in Operant Self-Learning, in „PLoS ONE” (DOI 10.1371/journal.pone.0100648)

Weiterführende Informationen unter:
http://brembs.net/foxp

Ansprechpartner für Medienvertreter:
Prof. Dr. Björn Brembs
Universität Regensburg
Institut für Zoologie
Tel.: 0941 943-3117
Bjoern.Brembs@ur.de

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Alexander Schlaak idw - Informationsdienst Wissenschaft

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