Fledermäuse auf Marathonflug

Insektenfressende Fledermäuse jagen oft mehrere Stunden in der Nacht und gönnen sich kaum Pausen. Dabei erbringen sie eine Energieleistung, die zehn bis fünfzehnfach höher ist als im Ruhen.

Im Gegensatz dazu sind insektenfressende Vögel geradezu faul: Sie hüpfen entweder von Ast zu Ast wie die Grasmücke, jagen im Ansitz wie der Fliegenschnäpper oder gleiten durch die Luft wie der Mauersegler. Dr. Christian Voigt wollte wissen, woher Fledermäuse die Energie für diese Ausnahmeleistung während der Jagd nehmen.

Muss ein Organismus über längere Zeit eine hohe Leistung erbringen, holt er sich die Energie meistens aus seinen Kohlenhydrat- und Fettvorräten. Sind die Kohlenhydratvorräte, vornehmlich Glykogen, aufgebraucht, beginnt der Körper ausschließlich Fett zu verbrennen. Mit Fettverbrennung können Menschen jedoch nur ungefähr dreißig Prozent ihres Gesamtstoffwechsels „befeuern“.

Deshalb bricht die Leistung an diesem Punkt ein. Diesen Moment erfahren Marathonläufer etwa ab Kilometer dreißig. Als „Hit the wall“ oder „Der Mann mit dem Hammer“ bezeichnen die Läufer das Phänomen, wenn ganz plötzlich die Beine schwer werden und extreme Müdigkeit auftritt. Sie versuchen deshalb dem Körper Kohlenhydrate über Energiedrinks zuzuführen. Damit können sie aber auch nur rund dreißig Prozent ihres Gesamtenergiebedarfs decken.

Was für Marathonläufer ein Problem ist, gelingt insektenfressenden Fledermäusen anscheinend jede Nacht während der mehrstündigen Insektenjagd. Voigt und seine Kollegen fanden heraus, dass die Tiere ihre proteinreiche Nahrung direkt verbrennen können und zu hundert Prozent als Energie zu Verfügung haben. „Das ist wie Auftanken während des Fluges“, veranschaulicht der Forscher diese physiologische Ausnahmeleistung. Um ihre These zu überprüfen fingen die Forscher in Panama Kleine Hasenmaulfledermäuse (Noctilio albiventris), welche sich gerade auf den Weg zur nächtlichen Jagd machten.

Woher die verbrauchte Energie stammt, ermittelten die Forscher über die Isotopenzusammensetzung des Kohlenstoffs im Atem der Tiere. „Es zeigt sich, dass die Tiere während der Tagesruhe wie erwartet Fett verbrennen“, so Voigt. Vor einer Lichtquelle fingen die Forscher dann Tiere, die sich gerade auf der Jagd befanden. Die Isotopenzusammensetzung des Atems entsprach jetzt exakt dem Wert der Insekten, was das Forscherteam als Indiz dafür nahm, dass die Fledermäuse ausschließlich Nährstoffe der gerade verzehrten Insekten verbrannten.

Voigt ist von diesem Ergebnis nicht überrascht: „Fledermäuse sind sehr leicht. Würden Sie die gesamte Energie für einen mehrstündigen Nachtflug aus Glykogen gewinnen, müssten sie viel schwerer sein, denn Glykogen hat aufgrund seines hohen Wassergehalts eine ungünstige Energiedichte.“ Wie genau die Tiere Proteine und Fett ihrer Nahrung sofort in Energie umwandeln, wissen die Forscher noch nicht. Sie vermuten, dass dabei ein besonders effizientes Transportprotein eine Rolle spielt, welches dem Menschen fehlt. Die Forscher gehen davon aus, dass der Mechanismus bei allen Insekten fressenden Fledermäusen gleich ist. Sicherlich hätten Marathonläufer auch gerne ein solches Transportprotein, wie es die Fledermäuse vermutlich haben. Dann könnten sie laufen und laufen und laufen.

Originalarbeit:
Ecology, 91(10), 2010, pp. 2908–2917

Kontakt:
Dr. Christian Voigt,
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung,
Tel.: 030 5168 517, voigt@izw-berlin.de

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Christine Vollgraf Forschungsverbund Berlin e.V

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