Wie festes Holz zu zähflüssigem Honig wird

Wer bei Zellstoff nur an Papiertaschentücher denkt, der verkennt die enormen Potenziale des Werkstoffs Zellulose. Längst gehören Bildschirme für Plasma-Fernsehgeräte, Spezial-Textilien und intelligente Wundverbände zur Produktpalette aus dem nachwachsenden Rohstoff.

„Gemeinsam ist all diesen Produkten, dass der Rohstoff Zellulose als Feststoff umgewandelt wird“, sagt Prof. Dr. Thomas Heinze von der Universität Jena. Im Gegensatz dazu bietet die homogene Zellulosechemie noch ganz andere Chancen, sagt der Professor für Organische und Makromolekulare Chemie. In diesem Fall liegt der Rohstoff Zellulose im gelösten Zustand vor, seine Konsistenz lasse sich mit zähflüssigem Honig vergleichen, umschreibt Heinze.

Im Labor lässt sich die Zellulose schon jetzt auflösen und weiterverarbeiten. Doch die Wissenschaftler der Uni Jena wollen gemeinsam mit Industriepartnern in einem neuen Projekt in andere Dimensionen vorstoßen. „Unser Ziel ist es, am Beispiel zweier Verwertungsketten die homogene Zellulosechemie technisch zu etablieren“, sagt Dr. Tim Liebert. Der Chemiker von der Uni Jena gehört zu den Koordinatoren der Thüringer Applikationsplattform für homogene Polysaccharidchemie (TAP), die als neues Wachstumskern-Potenzial-Verbundvorhaben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,2 Millionen Euro gefördert wird. Beteiligt sind das Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung am Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Uni Jena, die Jenaer Hautklinik und die Ostthüringer Material Prüfgesellschaft für Textil und Kunststoffe mbH in Rudolstadt. Das Forschungszentrum für Medizin und Biotechnologie GmbH in Langensalza und die Gebr. Ewald GmbH in Nahetal-Waldau konnten als Industriepartner gewonnen werden. Durch diese Partner erhöht sich das Budget auf 1,6 Millionen Euro. Der Startschuss für das auf zwei Jahre angelegte Verbundvorhaben ist zu Jahresbeginn gefallen.

Die Herausforderung für die Forscher besteht darin, den im Labor erprobten Prozess in die industrielle Reife zu überführen. „Es muss gelingen, die Zellulose kostengünstig und nachhaltig in Lösung zu bringen“, sagt Thomas Heinze. Bislang fehlen nichttoxische preiswerte Medien, um Zellulose effizient zu lösen. Außerdem sind die verfügbaren komplexen Lösungsmittel-Systeme – eingesetzt werden vorrangig organische Salzschmelzen – derzeit noch nicht wiederverwendbar.

Das Interesse der Industrie ist groß, weil gelöste Zellulose zu Produkten mit antibakterieller Wirkung oder zu oberflächenaktiven Verbindungen umgesetzt werden kann. In Kosmetika machen die Zellulose-Derivate Cremes oder Lotionen haltbarer. Außerdem wird die antibakterielle Wirkung in medizinischer Hinsicht nutzbringend sein. Bei Entzündungen versprechen die neuen Inhaltsstoffe Linderung und sind im besten Falle natürlichen Ursprungs. Besonders wichtig ist das bei sensiblen Körperpartien wie etwa der Kopfhaut. Bis zur Marktreife solcher Arzneimittel ist es aber noch ein weiter Weg.

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Heinze/Dr. Tim Liebert
Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie/ Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Humboldtstraße 10, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948270, 948277
E-Mail: thomas.heinze[at]uni-jena.de, tim.liebert[at]uni-jena.de

Media Contact

Stephan Laudien idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer