Eulenküken schlafen wie Menschenbabys

Wie die meisten Eulen schläft die Schleiereule (Tyto alba) tagsüber und geht nachts auf die Jagd.<br>Foto: Reto Burri <br>

Der Schlaf ändert sich Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie und der Universität Lausanne zufolge während des Älterwerdens auf ähnliche Weise. Die Forscher untersuchten freilebende Schleiereulen und haben darüber hinaus gefunden, dass die sich ändernden Schlafmuster eng an die Aktivität eines Gens gekoppelt sind, das die Produktion der dunklen Punkte auf den Federn steuert.

Die Ausprägung dieser Färbung steht im Zusammenhang mit Physiologie und Verhalten erwachsener Eulen. Schlafbedingte Entwicklungsprozesse im Gehirn könnten also auch für viele Eigenschaften bei ausgewachsenen Tieren verantwortlich sein.

Der Schlaf von Säugetieren und Vögeln besteht aus zwei Phasen, dem sogenannten REM-Schlaf (englisch: rapid eye movement) und Non-REM-Schlaf. Während des REM-Schlafes träumen wir, und die Gehirnaktivität in dieser Phase ähnelt der des Wachzustandes. Trotz intensiver Forschung bleibt die Funktion des REM-Schlafes aber mysteriös. Wissenschaftler vermuten, dass er für die normale Entwicklung des Gehirns notwendig ist, denn diese Schlafphase überwiegt in jungen Jahren: Die meisten Säugetierjungen verbringen mehr Zeit im REM-Schlaf als erwachsene Tiere. Neugeborene Babys zum Beispiel schlafen die Hälfte der Zeit in REM-Schlaf, während erwachsene Menschen nur ca. 20 bis 25 Prozent ihrer Schlafzeit in REM-Schlaf verbringen.

Niels Rattenborg vom Max-Planck-Institut für Ornithologie, Alexandre Roulin von der Universität Lausanne und ihre Doktorandin Madeleine Scriba haben nun bei jungen Schleiereulen untersucht, ob sich der REM-Schlaf auf ähnliche Art und Weise verändert wie bei Säugetieren. Dafür haben sie den Schlaf von Eulen unterschiedlichen Alters mithilfe von minimal invasiven Sensoren und Datenlogger aufgezeichnet. Während der Aufzeichnungen blieben die Eulen in ihren Nestboxen und wurden von ihren Eltern versorgt. Nach fünf Tagen wurden die Datenlogger wieder entfernt und die Eulenküken weiter beobachtet. Keine der Eulen wurde durch die Behandlung beeinträchtigt, sondern alle wurden flügge und kehrten im Folgejahr mit normalen Brutraten zurück.

Die Ergebnisse der Ornithologen zeigen, dass bei den jungen Eulen im Schlaf die REM-Phase überwog. „Ihr Gehirn war in dieser Schlafphase ähnlich aktiv wie im wachen Zustand, sie schlossen ihre Lider und ließen langsam den Kopf sinken“, sagt Madeleine Scriba von der Universität Lausanne (siehe Video im unten stehenden Link). Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass bei Schleiereulen genauso wie beim Menschen die Dauer des REM-Schlafes mit zunehmendem Alter der Jungen abnimmt.

Darüber hinaus analysierten die Forscher den Zusammenhang zwischen Schlaf und der Aktivität eines Gens, das für die Ausprägung schwarzer Punkte auf den Federn der Eulen verantwortlich ist. „Bei den Schleiereulen hängen die schwarzen Punkte der Nestlinge wie bei zahlreichen anderen Vogel- und Säugetierarten mit verschiedenen Körperfunktionen und Verhaltensmerkmalen zusammen. Viele davon sind auch verbunden mit Schlaf, wie zum Beispiel die Immunsystemfunktion und die Energieregulation“, sagt Alexandre Roulin von der Universität Lausanne. In der Tat hat das Team gefunden, dass Eulenjungen mit verstärkter Aktivität dieses Gens weniger Zeit im REM-Schlaf verbringen als es für ihr Alter normal wäre. Ihr Gehirn könnte sich also schneller entwickeln als bei Eulenjungen mit geringerer Aktivität dieses Gens. Dazu passt, dass das Gen auch eine Rolle für die Bildung der Hormone Thyroid und Insulin spielt, die für die Gehirnentwicklung wichtig sind.

Noch wissen die Forscher nicht im Detail, wie Schlaf, Gehirnentwicklung und Pigmentierung zusammenhängen. Als nächstes wollen sie deshalb herausfinden, ob die Änderung des Schlafes während der Gehirnentwicklung die Organisation des erwachsenen Gehirns beeinflusst, und ob Schlaf und Färbung bei erwachsenen Eulen zusammenhängen und für Verhalten und Körperfunktionen der Tiere wichtig sind. „Diese natürlich vorkommende Variation im REM-Schlaf während der Entwicklungsperiode könnte eine Erklärung dafür liefern, welche Rolle der REM-Schlaf in der Gehirnentwicklung bei jungen Eulen und Menschen spielt“, sagt Niels Rattenborg vom Max-Planck-Institut für Ornithologie.

Originalpublikation:
Scriba MF, Ducrest A-L, Henry I, Vyssotski AL, Rattenborg NC, Roulin A. Linking melanism to brain development: Expression of a melanism-related gene in barn owl feather follicles covaries with sleep ontogeny. Frontiers in Zoology, veröffentlicht online am 26. July 2013 (http://www.frontiersinzoology.com/content/10/1/42/abstract)
Video:
http://www.frontiersinzoology.com/imedia/2039187711104100/supp2.mp4
Kontakte:
Dr. Niels C. Rattenborg
Forschungsgruppe Vogelschlaf
Max-Planck-Institut für Ornithologie – Seewiesen
rattenborg@orn.mpg.de
Tel.: +49 8157 932 279
Dr. Alexandre Roulin
Department of Ecology and Evolution
University of Lausanne, Switzerland
Alexandre.Roulin@unil.ch
Tel.: +41 21 692 41 89

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Dr. Sabine Spehn Max-Planck-Institut

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