Ethylen ohne Effekt – warum Paprika keine Nachreife zeigen

Forscher des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam sind der Sache nachgegangen und haben dazu die Genexpressionslevel und Stoffwechselwege der Pflanzen verglichen. Reifeprozesse zu verstehen ist wichtig, damit Lebensmittel nicht auf dem Weg vom Erzeuger zum Konsumenten verfaulen.

Tomatenzüchtern gelang vor Jahren ein Coup: Sie identifizierten Tomaten mit einem Gendefekt, der dazu führt, dass die Früchte auch unter dem Einfluss des pflanzlichen Reifehormons Ethylen nur sehr langsam nachreifen. Händler und Anbaubetriebe freute das, denn somit blieb ihnen mehr Zeit, die anfangs noch grüne Ware vom Ort der Ernte zu den Verkaufsfilialen zu befördern. Dort konnte sie dann mit Hilfe von Ethylenbegasung zur Reife gebracht werden.

Andere Früchte wie Paprika, Weintrauben oder Erdbeeren zeigen generell keine Nachreife, sie müssen im reifen Zustand geerntet und möglichst bald verbraucht werden. Forscher des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam sind der Frage nachgegangen, warum Ethylen in manchen Pflanzen zur Nachreife führt und von anderen gar nicht bemerkt wird.

Um den Vergleich des Stoffwechsels und der Genexpressionslevel von nachreifenden und nicht-nachreifenden Pflanzen zu vereinfachen, konzentrierten die Wissenschaftler ihre Arbeit auf zwei nahverwandte Arten: die nachreifende Tomate und die nicht-nachreifende Habanero-Chili, beides Nachtschattengewächse. Sie untersuchten den pflanzlichen Stoffwechsel zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor und nach dem sogenannten Breaker-Point, also dem Tag, an dem die Frucht durch einen sichtbaren Farbumschwung in den Reifeprozess eintritt.

Ethylen aktiviert seine eigene Synthese und zahlreiche Reife-Gene

Bei Tomaten kommt es an genau diesem Tag zu einer Freisetzung gewaltiger Mengen Ethylen, man spricht auch von einem „Ethylenschock“. Das gasförmige Phytohormon Ethylen aktiviert seine eigene Synthese, sobald die Pflanze von außen mit Ethylen in Berührung kommt. Aus diesem Grund werden grüne Bananen schneller gelb, wenn sie neben Äpfeln aufbewahrt werden, da Äpfel eine ausgezeichnete Ethylenquelle darstellen.

Zwei Enzyme nehmen bei der Synthese von Ethylen eine Schlüsselrolle ein, sie heißen ACC-Synthase und ACC-Oxydase. Während des Reifeprozesses produzieren nachreifende Tomatenfrüchte viel mehr von diesen Enzymen, was einen sich stetig erhöhenden Ethylenspiegel zur Folge hat. Das Ethylen setzt in den Tomaten dann eine Signalkaskade in Gang, die zur Reifung der Früchte führt. Aus grünen Chloroplasten werden farbige Chromoplasten, die harten Zellwandbestandteile werden abgebaut, Zucker werden gebildet und der Nährstoffgehalt ändert sich.

Chilis zeigen keine Reaktion auf erhöhte Ethylenwerte

Nicht so bei Chilis. „Es sieht so aus, als ob Ethylen keinerlei Einfluss auf die Genexpression oder den Stoffwechsel von Habenero-Chilis hat“, so Gruppenleiter Dr. Alisdair Fernie, der mit seinem Team den Stoffwechsel und die Genaktivität der Früchte untersucht hat. Erstaunlicherweise waren aber Gene weiter abwärts in der Ethylen-Signalkette sehr wohl vermehrt aktiv. „Die Gene für den Abbau der pflanzlichen Zellwand oder die Carotenoid-Biosynthese wurden während des normalen Reifeprozesses an der Pflanze sowohl bei Tomate als auch bei Paprika vermehrt gebildet“, erklärt Fernie. Das Molekül, das bei Paprika und anderen nicht-nachreifenden Früchten den Reifeprozess anstößt, suchen die Forscher noch.

Media Contact

Ursula Ross-Stitt Max-Planck-Institut

Weitere Informationen:

http://www.mpimp-golm.mpg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue Industrie-4.0-Lösung für niedrigschwelligen Zugang zu Datenräumen

»Energizing a Sustainable Industry« – das Motto der Hannover Messe 2024 zeigt klar, wie wichtig eine gleichermaßen leistungsstarke und nachhaltige Industrie für den Fertigungsstandort Deutschland ist. Auf der Weltleitmesse der…

Quantenpräzision: Eine neue Art von Widerstand

Physikforschende der Universität Würzburg haben eine Methode entwickelt, die die Leistung von Quantenwiderstands-Normalen verbessern kann. Sie basiert auf einem Quantenphänomen namens anomaler Quanten-Hall-Effekt. In der industriellen Produktion oder in der…

Sicherheitslücke in Browser-Schnittstelle erlaubt Rechnerzugriff über Grafikkarte

Forschende der TU Graz waren über die Browser-Schnittstelle WebGPU mit drei verschiedenen Seitenkanal-Angriffen auf Grafikkarten erfolgreich. Die Angriffe gingen schnell genug, um bei normalem Surfverhalten zu gelingen. Moderne Websites stellen…

Partner & Förderer