Erste Züchtung des Lungenpilzes Pneumocystis jirovecii – Hoffnung für immunschwache Patienten

Prof. Dr. Oliver und Dr. Verena Schildgen

Am Klinikum Köln-Merheim, einer Universitätsklinik der Universität Witten/Herdecke, ist es einem Forscherteam um Prof. Dr. Oliver Schildgen gelungen, den Lungenpilz Pneumocystis jirovecii zu züchten. Nach bestem Wissen der Forscher ist dies weltweit und nach 105 Jahren des Versuchs einer Züchtung bisher nur ihnen gelungen.

Die Züchtung in der „Petrischale“ ermöglicht es nun, Mittel gegen diesen Pilz zu finden, der eine lebensbedrohliche Lungenentzündung verursachen kann. „Für Patienten mit einem geschwächten Immunsystem etwa bei HIV oder mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung mit dem Kürzel COPD ist das eine gute Nachricht. Wir haben nun zum ersten Mal die Möglichkeit, ein spezifisches Antibiotikum gegen diesen Pilz zu finden, der bereits 1909 zum ersten Mal nachgewiesen wurde“, erklärt Prof. Schildgen die Bedeutung der Züchtung.

Die Forscher haben den Weg der Züchtung in der Zeitschrift der amerikanischen Mikrobiologischen Gesellschaft mBio 2014, Volume 5, Issue 3, S.1-10 veröffentlicht. (http://mbio.asm.org/content/5/3/e01186-14.full?sid=44f64222-7c25-4075-947f-59b10…) Hauptautorin des Artikels ist die Frau von Prof. Schildgen, Dr. Verena Schildgen, die an der Universität Witten/Herdecke habilitiert. Sie erhielt für die Veröffentlichung am 5. September in Salzburg den mit 1.000 € dotierten Publikationspreis der Stiftung der deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft.

Bisher war die Züchtung des Pilzes Pneumocystis jirovecii im Labor für unmöglich gehalten worden. Der Erfolg der Züchtung beruht auf einem ganz neuen Verfahren, das die Kölner Forscher von den Virologen entlehnt haben. Dort sind sogenannte Air-Liquid-Interfaces schon seit längerem bei der Züchtung von Atemwegsviren erfolgreich im Einsatz.

Diese Systeme bilden die Situation in der menschlichen Lunge nach: fünf bis sechs Zellschichten Lungengewebe haften auf einen Filterstoff in einer Flüssigkeit, die das Blut nachbildet, die Oberseite wird von Luft umströmt. „Mit diesem System, das man für den Nachweis von Lungenviren im Laborfachhandel ganz normal bestellen kann, ist es uns gelungen, den Pilz zu züchten. Und wir konnten außerdem nachweisen, dass der Pilz sich in den Zellkulturen sehr aggressiv verhält“, ergänzt Prof. Schildgen.

Denn der Pilz wächst eben auf den Zellen, die wiederum auf einem Filterstoff liegen. Dieses System wird vor dem Versuch elektronisch auf „Dichtigkeit“ gemessen, also ausgeschlossen, dass es darin Löcher gibt. „Wir konnten aber Teile des Pilzes, bildlich gesprochen: seine Wurzeln, unter dem Filterstoff nachweisen. Er hat also das Lungengewebe und den Filterstoff durchdrungen. Das bedeutet, dass der Pilz in der Lunge ein Loch in die oberste Grenzschicht frisst. Das vermuten wir zumindest aus dem Laborversuch, am Menschen müssen wir oder andere Forscher das nun in der Zukunft erforschen. Jedenfalls könnte das der Mechanismus sein, mit dem der Pilz die Lungenentzündungen verursacht.“

Weitere Informationen bei Prof. Dr. Oliver Schildgen, 0221/8907-13467, schildgeno@kliniken-koeln.de

Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1983 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 1.800 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

http://mbio.asm.org/content/5/3/e01186-14.full?sid=44f64222-7c25-4075-947f-59b10…

Media Contact

Kay Gropp Universität Witten/Herdecke

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer