Erkennen Fledermäuse ihre Artgenossen an der Stimme?

Fledermäuse der Spezies &quot;Falscher Indischer Vampir&quot; (Megaderma lyra)<br>Foto: H. Kastein <br>

Eine Forschergruppe aus dem Institut für Zoologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) hat untersucht, ob Säugetiere ihnen bekannte Artgenossen allein an ihrer Stimme erkennen können.

In einer Studie mit Fledermäusen konnten Hanna Kastein, Doktorandin im Institut für Zoologie, und PD Dr. Sabine Schmidt zeigen, dass Fledermäuse bestimmte Sozialrufe anderer Individuen ihrer sozialen Gruppe unterscheiden können. Ihre Ergebnisse haben sie heute in der Fachzeitschrift Animal Cognition veröffentlicht (DOI 10.1007/s10071-013-0628-9).

Die Autoren wählten für ihre Studie Fledermäuse der Spezies „Indischer Falscher Vampir“ (Megaderma lyra). Tagsüber sind diese sehr sozialen Tiere in Indien bis zu Hunderten in Höhlen zu finden. Nachts treffen sie sich in kleinen Sozialgruppen häufig an so genannten „Nachthangplätzen“. Die dabei entstehenden Körperkontakte zwischen einzelnen Tieren interpretieren Wissenschaftler als individualisierte Beziehungen. Akustische Signale nutzen den Tieren nicht nur zur Orientierung, sondern auch zur Kommunikation: Indische Falsche Vampire haben für die Kommunikation mit ihren Artgenossen ein ausgeprägtes Sozialruf-Repertoir. Die Forscherinnen glauben, dass sich die Tiere mit Hilfe individueller Kontaktrufe an den Nachthangplätzen zusammenfinden. Sie konnten beobachten wie isolierte Fledermäuse Rufe ausstießen und daraufhin von Mitgliedern der eigenen Sozialgruppe aufgesucht wurden.

Die Forscherinnen verwendeten für ihre Studie zwei Gruppen von Fledermäusen, die aus unterschiedlichen Populationen stammten und in zwei getrennten Flugräumen gehalten wurden. Innerhalb der ersten Wochen konnten die Wissenschaftlerinnen beobachten, wie die Tiere Körperkontakt aufnahmen. Um die Rufe der Tiere aufzuzeichnen, isolierten sie einzelne Fledermäuse aus ihrer jeweiligen Gruppe, was sie zum Rufen animierte. In Playback-Versuchen haben sie diese Rufe einzelnen Fledermäusen vorgespielt. Sie stammten entweder von ihren eigenen Körperkontaktpartnern, Nicht-Körperkontaktpartnern oder unbekannten Artgenossen der anderen Population. Als Antwortreaktion werteten die Forscherinnen die Körperdrehung der Fledermäuse zum Lautsprecher.

Es zeigte sich, dass spontan alle Fledermäuse mit einer Drehung zum Lautsprecher auf die Kontaktrufe reagierten – egal, ob diese von Körperkontaktpartnern, Nicht-Körperkontaktpartnern oder unbekannten Tieren stammten. Hanna Kastein sagt: „Unter diesen Umständen zeigen die Fledermäuse keine klare Präferenz für Rufe von Körperkontaktpartnern. Offensichtlich haben Rufe von Artgenossen eine starke Wirkung auf diese sozialen Tiere, wenn sie vorübergehend isoliert werden.“

In einer Reihe weiterer Experimente spielten die Forscherinnen den Fledermäusen dann wiederholt Rufe einer bekannten Fledermaus vor, bis diese nicht mehr auf die Rufe reagierten. Danach wurde ein anderer Ruf der gleichen Fledermaus, der Ruf eines anderen Gruppenmitgliedes, oder der eines unbekannten Individuums präsentiert. Auch hier beurteilte Kastein das Verhalten der Fledermäuse anhand der Drehung zum Lautsprecher: Die Tiere reagierten viel stärker auf Rufe anderer Individuen als auf die neuen Rufe der vorher vorgespielten Fledermaus. „Dies beweist, dass die Fledermäuse die Stimmen unterscheiden. Weiterhin lassen die Resultate die individuelle Erkennung von Artgenossen vermuten“, sagt Kastein.
Die Originalpublikation:
Perception of individuality in bat vocal communication: discrimination between, or recognition of, interaction partners?
Hanna B Kastein, Rebecca Winter, AK Vinoth Kumar, Sripathi Kandula and Sabine Schmidt
Animal Cognition, DOI 10.1007/s10071-013-0628-9

Für fachliche Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

PD Dr. Sabine Schmidt
Hanna Kastein
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Institut für Zoologie
Tel.: +49 511 953-8746
Tel.: +49 511 953-8418
sabine.schmidt@tiho-hannover.de
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Sonja von Brethorst idw

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