Erfahrung der Mutter als Evolutionsvorteil
In ihrer Studie bestätigten die Forscher um Prof. Andreas Erhardt zum einen ihre früheren Ergebnisse, die zeigten, dass die Elterngeneration von Schmetterlingen ihren Nachwuchs auf die Futterpflanzen-Qualität ihrer eigenen Larvenerfahrung konditionieren kann.
Zum anderen konnten sie zum ersten Mal nachweisen, dass die Weibchen dieser Nachkommen ihr Eiablageverhalten ändern und ihre Eier bevorzugt auf denjenigen Pflanzen ablegen, auf denen sie sich einst selbst entwickelt hatten.
Die Basler Umweltwissenschaftler zeigten, dass die jungen Weibchen des Kleinen Kohlweisslings (Pieris rapae) für die Eiablage gezielter als ihre Eltern Pflanzen aufsuchten, die ihrer Larvenerfahrung (und der ihrer Eltern) entsprachen, und konnten damit den adaptiven Prozess belegen.
In ihrer Untersuchung verwendeten sie Kopfkohl als Wirtspflanze, der entweder mit einer hohen oder einer niedrigen Menge an Stickstoff versetzt wurde, wobei Stickstoff-Düngung die Entwicklung von Schmetterlingslarven begünstigt. Obwohl die stickstoffhaltigere Pflanze also die bessere Wahl darstellte, zeigten Weibchen, die sich als Raupen auf den stickstoffärmeren entwickelt hatten, eine Tendenz für das Ablegen ihrer Eier auf dem nicht gedüngten Kohl.
Beschleunigte Artenbildung
Ein solches Brutverhalten hat tiefgreifende Auswirkungen auf unser Verständnis von evolutionären und ökologischen Prozessen. Die Konditionierung der Nachkommen auf die eigene Erfahrung geschieht nur, wenn die Nachkommen in einer ähnlichen Umgebung aufwachsen wie die Elterngeneration. Demnach verstärkt sich bei Arten, bei denen diese Konditionierung auftritt, die Präferenz für die entsprechenden Erfahrungswerte mit jeder Generation.
Es entsteht eine Nachkommenschaft, die immer besser an die jeweilige Wirtspflanze angepasst ist, auch wenn diese eigentlich keine optimalen Bedingungen bietet – so wird die Entstehung neuer Arten erleichtert und beschleunigt.
Der Nachteil durch die ungünstigere Umwelt konnte durch die Konditionierung zwar verringert, aber nicht vollständig getilgt werden. Zum Ausgleich steht Weibchen, welche die nachteiligen Umweltbedingungen akzeptieren oder gar präferieren, eine grössere Auswahl an Pflanzen für die Eiablage zur Verfügung, wodurch sich die Konkurrenz innerhalb der Art reduziert.
Originalbeitrag
Fabian Cahenzli, Barbara A. Wenk, and Andreas Erhardt
Female butterflies adapt and allocate their progeny to the host-plant quality of their own larval experience
Ecology 96:1966–1973 (2015), doi: 10.1890/14-1275.1
Weitere Informationen
Prof. Dr. Andreas Erhardt, Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, Fachbereich Natur-, Landschafts- und Umweltschutz, Tel. +41 61 267 08 33, E-Mail: andreas.erhardt@unibas.ch
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Muttererfahrung-als-Evolution…
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