Entstehung von Arten – Die Proteinmenge entscheidet

Biologische Arten sind dadurch definiert, dass die Paarung zweier Individuuen derselben Art lebensfähige und fruchtbare Nachkommen hervorbringt. Die Kreuzung nahe verwandter, aber unterschiedlicher Arten dagegen erzeugt Hybride, die entweder nicht lebensfähig oder steril sind, die sich also evolutionär nicht durchsetzen würden.

Um zu erklären, wie sich zwei unterschiedliche Arten ausgehend von einem gemeinsamen Vorläufer genetisch so verändern, dass Mischlinge nicht mehr fortpflanzungsfähig sind, haben Wissenschaftler im frühen 20. Jahrhundert ein theoretisches Modell entwickelt: Demnach entwickeln sich bestimmte Gene schnell auseinander – und zwar so, dass sie in der jeweiligen Population gut funktionieren, aber negative Auswirkungen zur Folge haben, wenn sie im Hybrid aufeinandertreffen.

Derartige Gene werden als Dobzhansky Muller Genpaare beziehungsweise als Hybrid-Inkompatibilitätsgene bezeichnet. „Obwohl in den letzten fünf Jahren einige Dobzhansky Muller Genpaare isoliert werden konnten, war deren Funktion bis zu unseren Studien weitestgehend unbekannt“, sagt Professor Axel Imhof vom Adolf-Butenandt-Institut der LMU, der mit seinem Team nun die Funktion des Dobzhansky Muller Genpaares Lmr (Lethal male rescue) und Hmr (Hybrid male rescue) in den beiden nah verwandten Fruchtfliegen Drosophila melanogaster und Drosophila simulans aufklären konnte.

Männliche Hybride der beiden Drosophila-Arten sind nicht lebensfähig, weibliche Nachkommen sind steril. Imhofs Gruppe konnte nun zeigen, dass Hmr und Lhr bei Drosophila einen Komplex bilden, der an das Zentromer von Chromosomen bindet – also an die Einschnürungsstelle zweier Schwesterchromosomen – und dort eine wichtige Funktion bei der Zellteilung ausübt. Das Problem für die Hybriden ist: Beide Drosophila-Arten bilden sowohl Hmr als auch Lhr – aber in völlig unterschiedlichen Mengen.

D. melanogaster produziert viel mehr Hmr als D. simulans, das wiederum eine im Vergleich zu D. melanogaster stark erhöhte Lhr-Produktion zeigt. Wenn in Hybriden beide Eigenschaften aufeinandertreffen, entstehen als Resultat viel mehr Hmr-Lhr-Komplexe als in reinrassigen Individuen – die Zahl der Bindungsstellen am Zentromer bleibt aber gleich. Im Ergebnis entsteht ein Ungleichgewicht zwischen der Komplexmenge und den möglichen Bindungsstellen, weshalb sich der Komplex aus Hmr und Lhr über das gesamte Genom verteilt. Diese Fehlverteilung führt dann zur Hybridenlethalität.

Die Ergebnisse zeigen, dass für die Entstehung von Arten die Menge der beteiligten Proteine und nicht ausschließlich deren Sequenz – also die Abfolge der Aminosäuren im Protein – von großer Bedeutung ist. Dies bestärkt die Wissenschaftler darin, mithilfe der quantitativen Proteomik nach artspezifischen Unterschieden in den Proteinmengen zu fahnden. „Neben den von uns untersuchten Proteinen HMR und LHR wurden noch weitere Faktoren isoliert, die an der Artabgrenzung beteiligt sind. In weiterführenden Experimenten wollen wir auch diese genauer untersuchen und deren biologische Funktion in der reinen Art und im Hybrid analysieren“, sagt Imhof.

(Developmental Cell 2013) göd

Publikation
A Pair of Centromeric Proteins Mediates Reproductive Isolation in Drosophila Species
Andreas W. Thomae, Georg O.M. Schade, Jan Padeken, Marc Borath, Irene Vetter, Elisabeth Kremmer, Patrick Heun, and Axel Imhof
Developmental Cell 2013
http://dx.doi.org/10.1016/j.devcel.2013.10.001
Kontakt:
Dr. Axel Imhof
Adolf Butenandt Institute
0049 89 5996435
imhof@lmu.de

Media Contact

Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Merkmale des Untergrunds unter dem Thwaites-Gletscher enthüllt

Ein Forschungsteam hat felsige Berge und glattes Terrain unter dem Thwaites-Gletscher in der Westantarktis entdeckt – dem breiteste Gletscher der Erde, der halb so groß wie Deutschland und über 1000…

Wasserabweisende Fasern ohne PFAS

Endlich umweltfreundlich… Regenjacken, Badehosen oder Polsterstoffe: Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften benötigen eine chemische Imprägnierung. Fluor-haltige PFAS-Chemikalien sind zwar wirkungsvoll, schaden aber der Gesundheit und reichern sich in der Umwelt an….

Das massereichste stellare schwarze Loch unserer Galaxie entdeckt

Astronominnen und Astronomen haben das massereichste stellare schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraßengalaxie entdeckt wurde. Entdeckt wurde das schwarze Loch in den Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation,…

Partner & Förderer