Ein Treibhausgas hilft, Stickstoffbelastungen in indischen Seen zu verringern

Wajih Naqvi (links) entnimmt Wasserproben aus dem Supa-Stausee, Karnataka, Indien. W. Naqvi

Durch menschliche Aktivitäten werden enorme Mengen an reaktivem Stickstoff (RS) in die Umgebung freigesetzt. Indien allein ist ungefähr für ein Fünftel der globalen, von Menschen verursachten Freisetzung von Stickstoff verantwortlich.

Ungenutzte Düngemittel aus der Landwirtschaft zusammen mit RS aus anderen Quellen wie Abwassereinleitungen und der Verbrennung fossiler Brennstoffe führen zu einer weiträumigen Überanreicherung von Gewässern mit Stickstoff sowohl an Land wie im Meer. Dieses Übermaß fördert ein exzessives Algenwachstum und reduziert den Sauerstoffgehalt des Wassers. Nun ergab aber eine weiträumig angelegte Studie über 15 Süßwasserreservoirs in ganz Indien, dass dort unerwartet niedrige Mengen an reaktivem Stickstoff vorhanden sind.

Ein ForscherInnenteam aus Indien, Deutschland und Großbritannien, geleitet von Wajih Naqvi aus Indiens Council of Scientific & Industrial Research (CSIR) und Marcel Kuypers vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie (MPIMM), Bremen, Deutschland, erstellte eine einzigartige Datensammlung – die erste ihrer Art –, die die Bildung und das Verhalten des RS verständlich macht.

Im Sommer wurde in den meisten Seen unter einer dünnen Oberflächenschicht kein Sauerstoff gefunden. Dieses sauerstoffarme Milieu begünstigt den Abbau von RS durch Mikroorganismen, die den an Nitrat gebundenen Sauerstoff (die am häufigsten vorhandene Form des RS) verwenden, um zu atmen.

Diese Umwandlung von Nitrat zu biologisch inaktivem, elementarem Stickstoff wird Denitrifikation genannt. Allerdings waren die gemessenen Denitrifikationswerte überraschend niedrig – wenn sich nicht auch Methan in den Seen befand. Mithilfe des Methans erhöhten sich die Denitrifikationswerte um das Zwölffache. Methan ist ein wirkungsvolles Treibhausgas, das reichlich in anaeroben Süßwasser-Ökosystemen produziert wird.

Die anaerobe Oxidation von Methan durch oxidierten Stickstoff in Böden und schlammigen Feuchtgebieten war bereits bekannt. Die nun vorliegende Studie zeigt jedoch zum ersten Mal, dass die Nitratatmung gekoppelt an die Methanoxidation eine wichtige Senke für RS im Wasser darstellt. Interessanterweise kamen die Mikroben, von denen man wusste, dass sie diese einzigartige Verbindung in anderen Lebensräumen herstellen, in den indischen Seen kaum vor.

Stattdessen waren diese sauerstoffarmen Gewässer reich an weit verbreiteten, methanoxidierenden Bakterien. Bis heute wurde angenommen, dass diese Bakterien nur in Gegenwart von Sauerstoff existieren. Entweder leben sie hier also unter anderen Bedingungen, oder sie gehen mit anderen Mikroben eine enge Verbindung ein, wenn die Sauerstoffkonzentration abnimmt. Offensichtlich kommt das hier festgestellte Phänomen häufiger vor, als bisher angenommen.

„Wir haben den wichtigsten Vorgang, der den RS-Verlust aus indischen Süßwasserseen erklärt, identifiziert“, meint Naqvi, der die Studie während seiner Tätigkeit als Marie Curie Incoming Fellow von 2008 bis 2011 am Bremer Max-Planck-Institut durchführte. „Dieser Vorgang könnte die Überanreicherung an Stickstoff – die Eutrophierung – nicht nur in Süßwassergewässern eingrenzen, sondern auch in küstennahen Ozeangebieten.

Unsere Ergebnisse sind von enormer Bedeutung für die Umwelt, denn sie zeigen auch eine unerwartet niedrige Entwicklung von Distickstoffoxid, das als Lachgas und potentes Treibhaus in indischen Seen bekannt ist. Zudem limitiert die anaerobe Methanoxidation die Anhäufung von Methan in den Seen.“

„Ähnliche Prozesse sind auch in anderen Süßwasser-Ökosystemen möglich, in denen bedeutende Mengen von Methan vorkommen“, sagt Kuypers voraus, der das deutsche Team der von der Europäischen Kommission, CSIR und dem Department of Science & Technology (DST), Government of India, finanzierten Studie anführte.

Die Struktur der mikrobiellen Gemeinschaften der Stauseen ist äußerst interessant. „Wir finden hier neue Player, die Stickstoffumwandlungen auf unerwarteten Wegen stimulieren – mithilfe altbekannter Beteiligter im Methankreislauf. Die Studie zeigt klar, dass es für uns in diesem äußerst wichtigen Forschungsfeld noch viel zu lernen gibt“, sagt Mitautorin Phyllis Lam, derzeit Associate Professorin am Institut für Ocean and Earth Science, University of Southampton, Großbritannien.

http://mpi-bremen.de

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Dr. Fanni Aspetsberger Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

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