DNA-Barcoding auf Erfolgskurs – Münchner Forscher sequenzieren fast 16.000 Käfer

Ist die Verwandtschaft zahlreich, wird es schnell schwer, die Übersicht zu behalten. So auch bei über 3500 Käferarten, die in D vorkommen. Jeder der kleinen schwarzen Äste steht für eine Art Abbildung: ZSM

Die Gensequenzen der untersuchten Arten liegen nun in einer öffentlich zugänglichen Gendatenbank vor und können von Forschern weltweit für ihre Projekte genutzt werden. Dafür werteten die Münchner in fünfjähriger Arbeit fast 16.000 Einzelindividuen aus, die zu 3514 Arten gehören. Damit erstellten sie die weltweit größte Datenbank für Käfer-Barcodes und erfassten rund 53 Prozent der 6630 deutschen Käferarten.

Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse in der weltweit sehr wichtigen Fachzeitschrift Molecular Ecology Resources. Gerhard Haszprunar, Direktor der Zoologischen Staatsammlung, freut sich besonders darüber, dass damit die besondere Bedeutung des Barcoding innerhalb der Biowissenschaften gezeigt werden kann.

Die Zoologische Staatsammlung beherbergt rund 25 Millionen zoologische Objekte und gehört, als Teil der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns, weltweit zu den größten naturkundlichen Sammlungen. Die Barcoding-Projekte der ZSM werden gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, und das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

„Unsere reichhaltige Sammlung sowie die gute Vernetzung der Münchener Wissenschaftler in Fachkreisen hat diesen Erfolg erst möglich gemacht“, sagt Haszprunar.

Die Gensequenzierung erfolgte im Rahmen der Initiativen „Barcoding Fauna Bavarica“ und „German Barcode of Life“, bei dem die Münchener Forscher das ehrgeizige Ziel verfolgen, alle deutschen Tierarten genetisch zu erfassen und in einer Online-Bibliothek für Fachleute weltweit zur Verfügung zu stellen. Die Projekte sind Teil der internationalen Barcoding-Initiative iBol mit Sitz in Kanada, welche sich zum Ziel gesetzt hat, alle Tierarten der Welt genetisch zu erfassen. Nach den kanadischen Initiatoren des Projektes haben die Münchner Forscher mit bisher insgesamt über 150.000 Proben den weltweit umfangreichsten Beitrag zu diesem weltweiten Projekt geleistet.

„Dieser Datenbestand ist in dieser Fülle und Vollständigkeit insbesondere bei Käferdaten bisher einmalig und wird eine sehr wertvolle Informationsquelle für weitere Forschungsprojekte darstellen“, fasst Lars Hendrich, Kurator für Wasser-Insekten an der ZSM, die Ergebnisse zusammen. „Auch bei uns in Bayern bzw. Deutschland gibt es wahrscheinlich noch Dutzende von Käferarten, die entweder noch gar keinen wissenschaftlichen Namen tragen oder bislang mit anderen Arten verwechselt wurden“, erläutert der Experte. Dies sei natürlich gerade für den Naturschutz von größter Bedeutung.

Käfer sind die artenreichste Insektenordnung weltweit und kommen in nahezu allen Ökosystemen vor. Viele Käferarten besitzen eine große wirtschaftliche Bedeutung in der Land- und Forstwirtschaft oder in anderen Bereichen. Unter ihnen befinden sich zahlreiche Nützlinge wie die Marienkäfer oder der Puppenräuber, aber auch gefürchtete Schädlinge wie Rapsglanzkäfer, Maikäfer oder Kartoffelkäfer.

Das DNA-Barcoding wird die Identifizierung von Käferarten in ökologischen Forschungsprojekten oder bei der Untersuchung von Schädlingen deutlich erleichtern, erläutert Hendrich den Nutzen des Projektes. Viele Käferarten sind zudem in Deutschland derzeit stark bedroht und stehen auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten.

Die Münchener Forscher erzielten mit dem Barcoding-Projekt auch eine Reihe höchst bemerkenswerter wissenschaftlicher Ergebnisse. Weil die Forscher erstmalig die Möglichkeit hatten, bedeutende Anteile einer kompletten Landesfauna flächendeckend zu untersuchen, erhielten sie wertvolle Einblicke in die Artzugehörigkeit und die Verwandtschaftsverhältnisse der Käfer.

„Diese Einblicke konnten wir mit den traditionellen Methoden bisher nicht erhalten“, erklärt Michael Balke, Käferexperte der Zoologischen Staatsammlung. Bei fast 100 untersuchten Arten bestehe zudem der Verdacht, dass sich darunter neue Arten oder andere ungeklärte Phänomene verbergen, sagt der Forscher weiter. Diese hohe Zahl sei völlig überraschend und biete nun viele neue Ansatzpunkte für die weitere Forschung, so Balke.

Link zum Artikel : http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1755-0998.12354/full

Ansprechpartner:

Dr. Lars Hendrich (Kurator aquatische Insekten)
hendrich@zsm.mwn.de
Tel. 089-8107-149

Jérôme Morinière (Koordination German Barcode of Life)
moriniere@zsm.mwn.de
Tel. 089-8107-121

http://www.snsb.de
http://www.faunabavarica.de
http://www.zsm.mwn.de
http://www.bolgermany.de

Media Contact

Dr. Eva-Maria Natzer idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Mehr Prozess- und Produktinnovationen in Deutschland als im EU-Durchschnitt

Mehr als jedes 3. Unternehmen (36 %) in Deutschland hat zwischen 2018 und 2020 (aktuellste Zahlen für die EU-Länder) neue Produkte entwickelt, Neuerungen von Wettbewerbern imitiert oder eigene Produkte weiterentwickelt….

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Partner & Förderer