Die heilende Kraft der Rhododendren

Infografik: Vom Rhododendron zur Medizin Copyright: Jacobs University

Rhododendren zählen zu den beliebtesten Pflanzen in einheimischen Gärten. Bald blühen sie wieder. Forscher der Jacobs University in Bremen sind überzeugt – in der Pflanze stecken die Wirkstoffe für ein neues Antibiotikum.

Hunde sind an der Leine zu führen, die Tierliebhaber nehmen das gerne in Kauf. Denn was sie im Rhododendronpark in Bremen gerade im Frühjahr zu sehen und zu riechen bekommen ist von seltener Schönheit. Nahezu 600 Wildarten und über 3.000 Züchtungen der Pflanze, deren Name „Rosenbaum“ bedeutet, verwandeln die Landschaft in ein wogendes, prächtiges Farbenmeer.

Nicht nur für Spaziergänger ist der Rhododendronpark eine Attraktion. Auch Wissenschaftler der Jacobs University in Bremen zieht die weltweit zweitgrößte Ansammlung genetischer Vielfalt von Rhododendren an. Seit rund zweieinhalb Jahren erforscht ein Team um den Mikrobiologen Matthias Ullrich, ob in den Pflanzen Wirkstoffe für neue Arzneimittel, etwa für Antibiotika oder für die Krebsbehandlung, enthalten sind. Die Zwischenbilanz klingt mehr als ermutigend: „Wir sind mindestens einer neuartigen Substanz auf der Spur, die einmal als Antibiotikum eingesetzt werde könnte“, sagt Professor Ullrich.

Schon römische Quellen berichten von der berauschenden Wirkung des Honigs der Pflanze, die ursprünglich aus dem Himalaja stammt. Extrakte aus ihren Blättern und Wurzeln wurden bereits in der traditionellen Medizin in Indien, der Türkei oder Indonesien zur Behandlung von Infektionen, zur Senkung von Fieber oder zur Linderung von Unwohlsein eingesetzt. Eine intensive, wissenschaftliche Analyse ihrer Inhaltsstoffe und deren Wirkung gab es jedoch bisher nicht.

Professor Ullrich ist Teil eines fächerübergreifenden Teams, das gleichzeitig an Proben der Rhododendren arbeitet. Der Genetiker Dirk Albach analysiert die Erbsubstanz und ermittelt, um welche Art es sich genau handelt. Der Naturstoffchemiker Nikolai Kuhnert identifiziert die in den Pflanzen enthaltenen Substanzen. Die Zellbiologin Klaudia Brix untersucht ihre toxischen Eigenschaften und Ullrich selbst testet, wie die Inhaltsstoffe auf Bakterien reagieren.

„Dass vier Wissenschaftler verschiedener Disziplinen an einem Thema arbeiten, hat Pilotcharakter“, betont Ullrich – und führt dies auf die Gegebenheiten der Jacobs University zurück. „Die Verzahnung macht die Universität aus. Wir sind klein, wir unterstützen uns, wir arbeiten am Zentrum für Molekulare Lebenswissenschaften unter einem Dach.“

Für seine Untersuchungen benötigt das Quartett lediglich wenige Blätter der Pflanze. Diese werden mit einem Mörser und mit flüssigem Stickstoff zerstampft. Ein grünliches Pulver entsteht, das mithilfe von Methanol konzentriert und weiter untersucht wird. Rund 600 verschiedene Substanzen haben die Forscher so extrahiert, von denen 120 genauer analysiert wurden.

„Mehrere haben eine klare antibakterielle Wirkung“, sagt Ullrich. Die Substanzen werden dabei auch auf ihre Unschädlichkeit für menschliche Zellen getestet. Die Hoffnung, es möge ein Wirkstoff dabei sein, der die Zellteilung hemmt und somit als Krebsmittel dienen könnte, hat sich bislang jedoch noch nicht erfüllt.

Im Zentrum der Forschung steht ohnehin die Suche nach einem neuen pflanzlichen Antibiotikum. Der Bedarf für derartige Medikamente ist enorm. Immer mehr Keime entwickeln Resistenzen gegen die alten Mittel, insbesondere in Krankenhäusern. „Das ist ein Riesenproblem“, sagt Ullrich.

Bis zur klinischen Erprobung neuer Medikamente auf Basis der Rhododendren wird es noch einige Zeit dauern. Im Dezember läuft das Forschungsprojekt aus, der Mikrobiologe will eine weitere Forschungsperiode beantragen. „Wir wissen, was die neuen Substanzen können. Aber wir verstehen ihre Wirkungsweise noch nicht.“ Drei bis fünf Jahre, schätzt er, könnte sie in Anspruch nehmen. Der Rhododendronpark in Bremen muss dabei keinen Kahlschlag fürchten. Wenn Ullrich und sein Team erfolgreich sein sollten, wird der neue Wirkstoff künstlich hergestellt – im Labor.

Rückfragen und weitere Informationen:
Prof. Dr. Matthias Ullrich | Professor für Mikrobiologie
m.ullrich@jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-3245 

 
Alltag mit Mikrobiologie
Nahezu jede Vorlesung in Mikrobiologie von Prof. Dr. Matthias Ullrich an der Jacobs University beginnt mit einer 5-minütigen Diskussion über ein tagesaktuelles Thema. „Ich habe noch kein einziges Mal Probleme gehabt, in den Nachrichten ein Thema zu finden“, sagt der Wissenschaftler. „Alles was uns umgibt und beeinflusst, hat mit Mikrobiologie zu tun. Meine Studenten sind oft überrascht, wie relevant das Thema ist.“ Prof. Ullrich ist ohne Zweifel fasziniert von seinem Forschungsbereich und er gibt diese Begeisterung 1:1 an seine Studenten weiter. „Als Papst Franziskus gewählt wurde, haben die Studenten schon gefeixt und waren gespannt, wie ich bei dem Thema die Kurve kriegen würde. Aber es war dann doch ganz einfach: das von den Kardinälen während der Konklave bewohnte Gästehaus ‚Casa Santa Marta' diente einst als Cholera-Krankenhaus. Mikrobiologie in Reinkultur.“

Seit 2002 forscht und lehrt er an der Jacobs University in Bremen, Schwerpunkt Pflanzenmikrobiologie. Für ihn der ideale Ort, er kann sich vorstellen ein Leben lang hier zu arbeiten. „Ich erlebe hier die Kombination von Forschung und Lehre in einer nahezu perfekten Art und Weise. Die Studenten sind hoch motiviert und enthusiastisch bei der Sache. Die fächerübergreifende Zusammenarbeit mit den Kollegen ist für alle unsere Aufgabenstellungen von unschätzbarem Wert.“

Der 50jährige Berliner hat in Jena Biologie studiert und am Max-Planck-Institut in Heidelberg promoviert. Bei einem vierjährigen Aufenthalt an der Oklahoma State University hat er das Leben und Arbeiten auf einem internationalen Campus kennen und schätzen gelernt. Anschließend war er sechs Jahre lang Gruppenleiter am Max-Planck-Institut in Marburg. An der Jacobs University sind rund 70% der Studierenden aus dem Ausland, die Amtssprache ist Englisch. „Der Spirit ist einfach völlig anders und im Sinne des Wortes inspirierend. Ich kann mir tatsächlich nicht mehr vorstellen, an einer nicht internationalen Universität zu arbeiten.“

Rückfragen und weitere Informationen:
Prof. Dr. Matthias Ullrich | Professor für Mikrobiologie
m.ullrich@jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-3245

Bilddatei zum Download (in Druckauflösung, Copyright: Jacobs University):
Portraitfoto Prof. Dr. Matthias Ullrich
http://www.jacobs-university.de/_media/themendienst/jacobs_themendienst_Ullrich_2013.jpg

 
Gesundheitskompetenz stärken
Obwohl Gesundheit einen hohen Stellenwert im Leben jedes Einzelnen und in der Gesellschaft einnimmt, sind die Kenntnisse und Kompetenzen zum Thema Gesundheit oft begrenzt oder von Halbwissen geprägt. Gesundheitspsychologen der Jacobs University forschen aktuell an neuen und bewährten Möglichkeiten zur Stärkung der Gesundheitskompetenz – insbesondere bei älteren Menschen.

Ein Beispiel: Herr A. erfährt von seinem Arzt, dass er einen zu hohen HBA1C Wert hat. Er geht nach Hause und dort fällt ihm auf, dass er nicht genau verstanden hat, was das bedeutet. Im Internet liest etwas er über Blutzuckerwerte, Diabetes, Herzinfarkt und Fußamputationen und ist beunruhigt. Er findet jedoch keine weiteren praktischen Informationen, wie er seinen erhöhten HBA1C Wert in den Griff kriegen kann. Wie könnte sich Herr A. dieses fehlende Wissen aneignen, wo kann er sich besser informieren?

Genau solchen Fragen geht das mit 2,9 Mio. Euro budgetierte europäisches Forschungsprojekt nach, an dem die Jacobs University als einer von 23 Kooperationspartnern beteiligt ist.

Rückfragen und weitere Informationen:
Juliane Paech | Research Fellow IROHLA
j.paech@jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-4721 

Zahl des Tages
94% aller ausländischen Studierenden der Jacobs University schließen ihr Bachelor-Studium an der Jacobs University ab. Herausragend im Bundesvergleich: An deutschen Hochschulen sind es im Durchschnitt rund 54%.

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Andrea Daschner idw - Informationsdienst Wissenschaft

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