Die Antenne der Zelle

Schema von dem Verankern der Zilie in der Zelle. Dabei werden Kräfte von der Zelle auf die Zilie übertragen. Grafik: Universität Göttingen

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Göttingen hat die mikromechanischen Eigenschaften von primären Zilien erforscht. Diese antennenähnlichen Organellen dienen vielen Arten von Zellen in höheren Lebewesen zur Erkennung von Umweltsignalen.

Die Wissenschaftler der Göttinger Fakultät für Physik, der National Institutes of Health in Bethesda (USA) und des Vanderbilt Medical Centers in Nashville (USA) benutzten Lichtmikroskopie und optische Pinzetten zur Abbildung und Manipulation der Zilien an den Oberflächen lebender Zellen in Zellkulturen.

Dabei stellten sie überraschenderweise fest, dass die Antennen nicht nur passiv Signale empfangen, sondern sich auch aktiv orientieren und bewegen können. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA erschienen.

Primäre Zilien sind entwicklungsgeschichtlich alte Organellen, deren Funktion bisher nur unzulänglich aufgeklärt werden konnte. Im Gegensatz zu beweglichen Zilien und Flagellen, die zum Beispiel auf den Oberflächen menschlicher Lungenepithelzellen zum Abtransport von Staub und anderen Verunreinigungen dienen, besitzen sie keine Motorproteine, mit denen sie sich aktiv verformen könnten.

Deshalb glaubten Forscher bisher, dass sie ausschließlich passive Sensoren seien. Die neuen Messungen des Teams unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Schmidt vom III. Physikalischen Institut der Universität Göttingen haben aber gezeigt, dass die Zilien elastisch im Inneren der Zelle verankert sind, und dass sie sich keineswegs passiv verhalten. Da sie in das mechanisch sehr aktive Netzwerk des Zytoskeletts eingebettet sind, kann die Zelle mit Hilfe der Myosinmotoren, die Kräfte im Zytoskelett erzeugen, die Zilien bewegen und ausrichten.

„Die Zilien, die genau wie kleine Stabantennen aussehen, nehmen also nicht nur chemische und mechanische Signale aus der Umgebung auf, sondern fungieren auch als Sendeantennen, die Signale nach außen abgeben können“, so Prof. Schmidt. „Wozu diese aktive Funktion dient, ist noch nicht bekannt. Möglicherweise kalibrieren die Zellen durch die eigene Vibration der Antenne deren Empfindlichkeit gegen äußere mechanische Signale.”

Originalveröffentlichung: Christopher Battle et al. Intracellular and extracellular forces drive primary cilia movement. Proceedings of the National Academy of Sciences (USA) 2015. Doi: http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1421845112.

Hinweis an die Redaktionen:
Fotos zum Thema haben wir im Internet unter http://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?cid=5049 zum Download bereitgestellt.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Christoph Schmidt
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Physik – III. Physikalisches Institut
Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-7740
E-Mail: christoph.schmidt@phys.uni-goettingen.de
Internet: http://www.dpi.physik.uni-goettingen.de/de/science/people/211r125.html

http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1421845112

Media Contact

Thomas Richter idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer