Den Schalter in der Stammzelle umlegen

„Wir haben einen neuen Schalter in Stammzellen gefunden“, erklärt Prof. Michael Rieger. Copyright: Universitätsklinikum Frankfurt

Blutbildende Stammzellen werden routinemäßig bei lebensrettenden Stammzelltransplantationen in der Klinik eingesetzt. Sie bergen große Hoffnung für die weitere Entwicklung von Gentherapien bei tödlichen Erkrankungen. Mit ihrer einzigartigen Fähigkeit, sich in alle verschiedenen Blutzellarten zu entwickeln, sind diese Stammzellen in der Lage, Millionen neuer Blutzellen sekündlich in unserem Körper zu bilden.

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Frankfurt haben nun eine Art molekularen Schalter entdeckt, der die Spezialisierung von Stammzellen in unterschiedliche Blutzellen steuert. Mit den gewonnenen Erkenntnissen könnten in Zukunft das Wachstum und die Ausdifferenzierung von Stammzellen beeinflusst und diese damit noch effizienter für die Therapie schwerer Erkrankungen wie Krebs eingesetzt werden. Die Forschungsergebnisse wurden in dem Fachjournal „Stem Cell Reports“ der Internationalen Gesellschaft für Stammzellenforschung (ISSCR) publiziert.

Signalweg neu entdeckt

Dem Team um Prof. Michael Rieger am LOEWE-Zentrum für Zell- und Gentherapie des Universitätsklinikums Frankfurt ist es gelungen, einen wichtigen Signalweg zu entschlüsseln, durch den Botenstoffe, sogenannte Zytokine, ihre Signale an blutbildende Stammzellen weitergeben. Durch diese Signale entscheidet sich, in was für eine Blutzellenart sich die Stammzellen entwickeln.

„Wir haben eine bislang unbekannte Funktion eines Proteins mit dem Namen Growth Arrest and DNA-damage-induced 45 gamma, oder abgekürzt GADD45G, in dieser Signalweiterleitung gefunden. Die Aktivierung von GADD45G durch Botenstoffe löst eine Abfolge von Signalen in der Stammzelle aus, die unmittelbar zur Differenzierung und Spezialisierung der Stammzelle führt“, erklärt Prof. Rieger, Leiter dieser Studie.

Schicksalsentscheidung der Stammzelle

GADD45G ist wie ein Schalter in den Stammzellen, der einmal umgelegt, die Zellen vom Selbsterneuerungsmodus auf einen Spezialisierungsprozess umprogrammiert. „Botenstoffe aus der Stammzellumgebung steuern diesen Schalter, der diese wichtige Schicksalsentscheidung von Stammzellen einleitet. Nun arbeiten wir daran, diese Schicksalsentscheidung therapeutisch zu beeinflussen“, sagt Frederic Thalheimer, Doktorand in der Arbeitsgruppe und Erstautor der Studie.

Modernste Videomikroskopie ermöglichte den Wissenschaftlern, die Auswirkung dieses Schalters auf die Ausdifferenzierung in bestimmte Zelltypen in Echtzeit zu beobachten. Thalheimer konnte dabei nachweisen, dass die Abwesenheit des Proteins GADD45G zu einer gesteigerten Selbsterneuerung von blutbildenden Stammzellen führt.

„Diese Erkenntnisse könnten vielfältig genutzt werden. Blutbildende Stammzellen sind in der Klinik für Stammzelltransplantation und Gentherapie sehr bedeutend. Außerdem ist GADD45G in Krebszellen abgeschaltet. Krebszellen vermehren sich dann unkontrolliert. Eine Reaktivierung des Signalwegs, der von GADD45G ausgelöst wird, könnte entscheidend sein für zukünftige Krebstherapien, weil damit der Prozess der Ausdifferenzierung von Krebszellen wieder in Gang gesetzt würde“, folgert Prof. Rieger.

Publikation:
Thalheimer FB, Wingert S, De Giacomo P, Haetscher N, Rehage M, Brill B, Theis FJ, Hennighausen L, Schroeder T, Rieger MA. Cytokine-Regulated GADD45G Induces Differentiation and Lineage Selection in Hematopoietic Stem Cells. Stem Cell Reports (2014), http://dx.doi.org/10.1016/j.stemcr.2014.05.010

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