Dem Jetlag auf der Spur

Ohne dieses Gen passen sich die Tiere an, ohne dass sie eine Umgewöhnungszeit benötigten – den umgangssprachlichen Jetlag. Spleißen nennt man den Prozess, bei dem die zunächst gebildete prä-mRNA zur reifen mRNA, dem intrazellulären Informationsvermittler, weiterverarbeitet wird.

Das alternative Spleißen ermöglicht, dass Zellen auf veränderte Umwelteinflüsse mit der Bildung verschiedener mRNAs aus einer prä-mRNA reagieren. Diese Ergebnisse sind vermutlich auch auf Menschen übertragbar und insbesondere deshalb relevant, weil Störungen des circadianen Rhythmus‘ Krankheiten wie Stoffwechselstörungen und Krebs Vorschub leisten.

Die jetzt von den Wissenschaftlern der Freien Universität publizierte Studie „Rhythmic U2af26 Alternative Splicing Controls PERIOD1 Stability and the Circadian Clock in Mice“ bildet deshalb die Grundlage für weitere Arbeiten, in denen ein entsprechender Zusammenhang untersucht werden soll. Die Studie ist am 15. Mai 2014 im Fachmagazin „Molecular Cell“ erschienen.

Alle Lebewesen von Bakterien bis zum Menschen folgen einem inneren Rhythmus, der grundlegende Funktionen steuert. Der Stoffwechsel etwa sowie die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, aber auch die Aktivität des Immunsystems unterliegen zyklischen Schwankungen. Dieser Rhythmus wird durch äußere Einflüsse gesteuert – beim Menschen hauptsächlich durch Licht.

Von einer zentralen Uhr, die sich in einem kleinen Bereich des Gehirns, dem suprachiasmatischen Nucleus, befindet, werden verschiedene Körperfunktionen synchronisiert. Die circadiane Uhr stellt sich auf plötzliche Veränderungen im Hell-Dunkel-Rhythmus nur langsam ein, was der Grund für den Jetlag nach Reisen durch Zeitzonen ist.

Florian Heyd und Mitglieder seiner Arbeitsgruppe konnten erstmals einen neuen Taktgeber für die innere Uhr beschreiben: Die Anpassung an eine geänderte Zeitzone wird durch alternatives Spleißen des U2AF26-Gens kontrolliert.

Dieser Mechanismus macht sich zunutze, dass die proteinkodierenden Abschnitte (‚Exons’) eines Gens in unserer DNA, der Trägerin der Erbinformation, nicht in einem zusammenhängenden Stück vorliegen, sondern erst nach der Transkription in einem Weiterverarbeitungsprozess zusammengefügt („gespleißt“) werden. Zellen können auf Umwelteinflüsse reagieren, indem bestimmte Exons alternativ gespleißt werden. Das bedeutet beispielsweise, dass diese Exons nicht mehr in die Boten-RNA (mRNA) aufgenommen werden.

Genau das passiert mit dem U2AF26-Gen in Mäusen unter Jetlag-Bedingungen: Durch das alternative Spleißen von zwei Exons nach der Veränderung der Lichtverhältnisse wird die Taktfolge der mRNA verändert und so ein verändertes Protein gebildet. Dieses Protein reguliert dann direkt die circadiane Uhr und die Umstellung auf eine neue Zeitzone.

Sowohl der Mechanismus – die Bildung eines neuen Proteins durch eine geänderte Taktfolge in der mRNA – als auch das Ergebnis – die Kontrolle des circadianen Rhythmus‘ durch alternatives Spleißen in einem Säugetier – sind wegweisende Entdeckungen, die nun als Basis für weitere Arbeiten dienen.

Beispielsweise kann eine Störung des circadianen Rhythmus zur Ausbildung verschiedener Krankheiten wie Stoffwechselstörungen und Krebs führen. „Wir möchten jetzt untersuchen, ob alternatives Spleißen des U2AF26-Gens beim Menschen in diese Vorgänge involviert ist und so zu einem besseren molekularen Verständnis dieser Krankheiten beitragen“, sagt Heyd. „Außerdem suchen wir nach weiteren Genen, die durch einen ähnlichen Mechanismus reguliert werden und auf diese Weise andere zelluläre Funktionen kontrollieren.“

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Florian Heyd, Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-62938, E-Mail: florian.heyd@fu-berlin.de

Literatur:

Preußner et al., Rhythmic U2af26 Alternative Splicing Controls PERIOD1 Stability and the Circadian Clock in Mice, Molecular Cell (2014), DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.molcel.2014.04.015

http://www.cell.com/molecular-cell/abstract/S1097-2765%2814%2900326-8
http://dx.doi.org/10.1016/j.molcel.2014.04.015

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Christine Boldt idw - Informationsdienst Wissenschaft

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