Chemische Kriegsführung schon in Antike bekannt

Den bisher ältesten Nachweis für den Einsatz chemischer Waffen hat der Archäologe Simon James von der University of Leicester gefunden.

Bei der Einnahme der am Euphrat gelegenen Römerstadt Dura-Europos im Jahr 256 nach Christus hätten die angreifenden Perser 20 verteidigende Römersoldaten in einem Tunnel gezielt durch giftigen Rauch erstickt. Das zeige, dass die Sassaniden den Römern in der Belagerungstechnik ebenbürtig waren und helfe bei der Rekonstruktion antiker Kriegstechniken, berichtete James anlässlich einer archäologischen Fachtagung in Philadelphia.

Dura-Europos ist ein im heutigen Syrien gelegener antiker Ort nahe des Flusses Euphrat. Nach griechischer Gründung war er im Seleukiden- und Partherreich wirtschaftliches Zentrum der Region, bis ihn die Römer zur Garnisonsstadt umfunktionierten. Kurz nach der erfolgreichen Belagerung der Römerstadt durch das Heer der persischen Sassaniden wurde die Stadt für immer verlassen. Sand bedeckte und versteckte sie bald, und dank des trockenen Wüstenklimas blieb die Stadt inklusive ihrer Wandmalereien und organischen Überreste über Jahrtausende unversehrt. Seit ihrer Wiederentdeckung um 1920 wird Dura-Europos daher auch als „Pompeji des Ostens“ bezeichnet.

“Um die Römerstadt einzunehmen, verwendeten die Sassaniden eine Vielzahl von Belagerungstechniken“, erklärt James im pressetext-Interview. „Als Untergrund für einen Belagerungsturm legten sie eine massive Rampe hin zur Stadtmauer an, verwendeten Rammböcke gegen das Haupttor und scheinen auch Stollen angelegt zu haben, um ihre Truppen direkt in die Stadt zu befördern.“ Einige der Stollen sollten die Befestigungsmauer untergraben und somit zum Einsturz bringen. Da die römischen Verteidiger den Tunnelbau bemerkten, gruben sie ihrerseits einen Gegenstollen, um den Plan der Angreifer zu vereiteln – soviel wusste die Archäologie bisher. Ein ungelöstes Rätsel bildete jedoch der Fund von 20 römischen Soldaten in voller Kampfausrüstung, die man am Treffpunkt von Perser- und Römertunnel vorfand. James Hypothese: „In dem sehr klein bemessenen Stollen konnten die Verteidiger nur durch eine sehr heimtückische Weise umgekommen sein.“

Bestätigt wurde die Theorie schließlich durch eine chemische Analyse des Stollens. „Im Moment des Durchbruchs der Römer brachten die gut vorbereiteten Perser an ihrem Tunnelende Bitumen und Sulfurkristalle zum Brennen. Diese Chemikalien wirken erstickend, sobald sie angezündet werden.“

Durch den Schornsteineffekt oder mit Blasebälgen gelangte die Giftgaswolke in den Römertunnel. „Der römische Verteidigungstrupp war ganz offensichtlich nicht darauf vorbereitet. Binnen Sekunden waren die Männer bewusstlos und nur Minuten später tot“, so James. Diese Entdeckung bildet den frühesten Nachweis für den Einsatz von Rauchgas, wenngleich es durchaus Vorläufer gab.

“Frühere Textquellen zeigen, dass schon die Griechen im zweiten vorchristlichen Jahrhundert Rauch gegen die Römer eingesetzt haben. Die Antike kannte also diese Belagerungstechnik“, so der Archäologe abschließend.

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.le.ac.uk

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