Die Botschaft der Biomarker

Vor 65 Millionen Jahren schlug ein gewaltiger Asteroid auf der Erde ein und besiegelte das Ende der Kreidezeit. Das Klima kühlte ab; etwa 80 Prozent aller Meeresorganismen starben aus. Wie lange das Weltmeer benötigte, um sich von dem Einschlag zu erholen, war lange umstritten.

Eine Untersuchung, die am kommenden Freitag im Wissenschaftsmagazin Science erscheint, kommt auf der Grundlage geochemischer Analysen zu dem Ergebnis, dass die Primärproduktion auf der unteren Ebene des marinen Nahrungsnetzes nur knapp 100 Jahre daniederlag. Danach erholte sich der Ozean überraschend schnell.

Bislang waren Wissenschaftler kaum in der Lage, die Vorgänge, die sich unmittelbar nach dem Meteoriteneinschlag im Ozean abspielten, genauer nachzuzeichnen. „Zwar ist der Einschlag weltweit in Ablagerungen an Land und im Ozean dokumentiert. Organisches Material, auf das wir für unsere geochemischen Untersuchungen angewiesen sind, war bislang aber kaum vorhanden oder in einem schlechten Erhaltungszustand“, sagt Science-Autor Dr. Julio Sepúlveda.

„Mikroskopisch kleine Algen und Bakterien an der Basis des ozeanischen Nahrungsnetzes hinterlassen halt kaum Spuren im Sediment. Welche Rolle sie in diesem Abschnitt der Erdgeschichte spielten, wurde daher bislang noch nicht erforscht.“ Erst als die Meeresforscher begannen, Ablagerungen mit sehr empfindlichen geochemischen Methoden und in hoher zeitlicher Auflösung zu untersuchen, konnten sie Licht in das Dunkel der Vorzeit bringen.

Das deutsch-amerikanische Wissenschaftlerteam wurde auf der dänischen Insel Seeland fündig. Etwa 30 Kilometer südlich von Kopenhagen beprobten sie eine knapp 40 Zentimeter dicke Tonschicht. Die Ablagerungen decken einen Zeitraum von etwa 10.000 Jahren ab und stammen aus der Zeit unmittelbar nach dem Meteoriteneinschlag. „Die Ablagerungen enthielten hinreichend molekulare Fossilien, die wir mit Massenspektrometern analysierten“, sagt MARUM-Mitarbeiter Prof. Kai-Uwe Hinrichs. Bei den molekularen Fossilien, auch Biomarker genannt, handelt es sich um Kohlenstoffverbindungen, die den Forschern Informationen liefern, welche Organismen das Meer in vergangenen Erdepochen besiedelten. Entscheidend war, dass das 65 Millionen Jahre alte Material dank der angewendeten Methoden mit hoher zeitlicher Auflösung untersucht werden konnte: Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Probepunkten lag bei nur 150 Jahren.

Die Botschaft der Biomarker ist überraschend präzise:

– Unmittelbar nach dem Einschlag waren bestimmte Bereiche des Weltmeers sauerstofffrei und lebensfeindlich.

– Nahe der Kontinente lag das mikrobielle Leben im Meer nur verhältnismäßig kurze Zeit danieder: Schon nach weniger als 100 Jahren erlebte die Algenproduktion einen neuen Aufschwung.

– Im offenen Ozean dauerte der Erholungsprozess deutlich länger. Zwar kam das marine Ökosystem zunehmend besser auf Touren. Insgesamt benötigte der Weltozean jedoch bis zu drei Millionen Jahre, um sich vollständig von dem Meteoriteneinschlag zu erholen.

„Die Befunde werfen Licht auf das Rätsel, warum sich z.B. Korallen nach der Katastrophe vor 65 Millionen Jahren wieder erholten, obwohl die Atmosphäre durch Partikel des Einschlages verdunkelt war: Die für die Korallen lebensnotwendigen Algen hatten offensichtlich viel rascher als bisher angenommen wieder genügend Licht, um sie mit Nährstoffen zu versorgen“, sagt Paläontologe Dr. Jens Wendler.

Zu den Autoren:
Die jetzt in Science veröffentlichte Untersuchung stammt aus der Feder eines deutsch-amerikanischen Wissenschaftlerteams. Erstautor Julio Sepúlveda war ab 2005 Mitglied der internationalen Bremer Graduiertenschule EUROPROX und promovierte hier 2008 mit einer Arbeit zur Erforschung der Meeresökologie während extremer Klimaereignisse in der Kreidezeit. Er forscht inzwischen am renommierten Massachusetts Institute of Technology MIT in der Gruppe des internationalen EUROPROX-Partners und Humboldt-Preisträgers Prof. Roger E. Summons.

Prof. Kai-Uwe Hinrichs ist am MARUM Leiter des Projektbereichs „Wechselwirkungen Geosphäre-Biosphäre“.

Geowissenschaftler Dr. Jens Wendler erforscht seit 10 Jahren die Katastrophe am Ende der Kreidezeit und arbeitet derzeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

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