Was es zum Blühen braucht: Molekulare Vorgänge beim Blühvorgang von mehrjährigen Pflanzen

<br>Die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) ist eine einjährige Pflanze. <br><br><br>Bildquelle: © Sui-setz/ wikimedia.org<br>

Als einjährige Pflanze bezeichnet man kurzlebige Pflanzen, die nur einen Sommer lang blühen und nach der Samenbildung absterben. Sie unterscheiden sich von mehrjährigen Pflanzen, die älter als zwei Jahre werden und mehrere Blühperioden durchlaufen.

Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an

Zwei aktuelle Studien, an denen unter anderem das Max Planck Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen und das Max Planck Institut für Züchtungsforschung in Köln beteiligt waren, erlauben einen Blick auf die molekularen Mechanismen, die mehrjährige Pflanzen zum Blühen bringen. Auch wenn die Wetterbedingungen günstig sind, sollten mehrjährige Pflanzen nicht blühen, wenn sie sehr jung sind – das schont ihre Ressourcen.

Zunächst hat die vegetative Phase Vorrang, in der die Pflanze wächst. Bevor es zur Blüte kommt, müssen die mehrjährigen Pflanzen außerdem eine längere Kälteperiode durchlaufen. Diesen Einleitungsprozess des Blühens bezeichnet man als Vernalisation. Sie beginnt mit der natürlichen Einleitung des Schossens – der Streckung der Pflanzentriebe und Ausbildung von Blütenständen. So vollzieht die Pflanze den Übergang von der vegetativen in die generative Phase des Blühens und damit ihrer Vermehrung.

In den zwei verwandten Studien erklären Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ das Zusammenspiel von Vernalisation und Alter, welches mehrjährige Pflanzen zum Blühen bringt. Dabei wandeln offenbar molekulare Signale Umweltreize wie beispielsweise Kälte, und physiologische Informationen, wie das Alter der Pflanze, in Signale um, die den Blühvorgang steuern.

MikroRNA steuert Start zum Blühvorgang

Wissenschaftler des Max Planck Instituts für Züchtungsforschung in Köln untersuchten mit weiteren Kollegen die molekularen Stoffwechselwege der mehrjährigen Alpen-Gänsekresse Arabis alpina. In der unscheinbaren Pflanze aus der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae) entdeckten die Forscher eine Spezies von mikroRNA, genannt miR156, deren Vorkommen in der Pflanze mit zunehmendem Alter kontinuierlich abnimmt. „Wir können das Blühen und die Wirkung der Vernalisation allein dadurch verschieben, dass wir die miR156-Konzentration manipulieren“, so George Coupland vom MPI für Züchtungsforschung in Köln. Produziert die Alpen-Gänsekresse wegen eines gentechnischen Tricks besonders viel miR156, blüht sie nicht zur üblichen Zeit – fünf bis sechs Wochen nach dem Auskeimen. Der durch die Überproduktion vorhandene Überschuss an miR156 sitzt wie ein Bremsklotz auf einer Gruppe von Proteinen, die die Blütenbildung induzieren. Wird wegen eines gentechnischen Tricks weniger miR156 als üblich gebildet, verkürzt sich die Zeit bis zur Blütenbildung. Die Alpen-Gänsekresse ist schon drei Wochen nach dem Auskeimen für den Kältereiz empfänglich und blüht danach auch. Die Ribonukleinsäure ist folglich der wichtigste Taktgeber bei der Blütenbildung der Alpen-Gänsekresse. Erst wenn sie ihren Tiefpunkt erreicht hat, greift die Vernalisation.

Arabidopsis kann nicht immer warten

Bei mehrjährigen Pflanzen ist es sinnvoll und wichtig, dass sie mit ihren Kräften haushalten und genau dann Blühen, wenn die Umweltbedingungen ihr Entwicklungsstand optimal sind. Bei einjährigen Pflanzen ist das anders, denn sie haben nur eine Saison zur Verfügung, um sich fortzupflanzen. Die einjährige Modellpflanze Arabidopsis thaliana nimmt es mit der mikroRNA nicht ganz so genau wie die Alpen-Gänsekresse. Bei sehr guten Wetterverhältnissen blüht sie auch in Anwesenheit einer größeren miR156-Menge. Nur bei dauerhaft schlechtem Wetter verlässt sie sich auf ihr Alter und wartet mit der Blütenbildung bis die Ribonukleinsäure ihren Tiefpunkt erreicht hat. „Dadurch wird sichergestellt, dass Arabidopsisauch in einem grauen und kalten Sommer blüht“, erklärt Coupland. Als einjährige Pflanze muss sie alles auf eine Karte setzen und so schnell wie möglich zu einer „verschwenderischen Blütenpracht“ gelangen und Samen bilden. Die Konzentration von miR156 wird bei günstigen Umweltbedingungen einfach übersteuert. Mehrjährige Pflanzen halten sich dagegen strikt an Alter und Vernalisation.

Einer nach dem anderen

Mit miR156 lässt sich auch erklären, warum bei der Alpen-Gänsekresse nicht alle Seitentriebe gleichzeitig blühen. Die Verzweigungen entstehen nach und nach und sind deshalb nicht alle genauso alt wie der Hauptspross, der zuerst blüht. Die miR156-Konzentration muss in jedem einzelnen Seitenspross einen Tiefpunkt erreichen, damit er für den Kältereiz empfänglich wird und eine Blüte bildet. Diese Altersstaffelung sorgt dafür, dass jedes Jahr einige Sprossachsen blühen – andere wiederum erst nach dem Winter in der nächsten Saison.

Wie registriert die Alpen-Gänsekresse den Kältereiz?
Auch dieser Frage sind Coupland und seine Kollegen nachgegangen. Sie konnten zeigen, dass miR156 damit nichts zu tun hat. Die Einwirkung der Kälte führt dazu, dass ein anderes Protein mit Bremswirkung auf die Blütenbildung von der Bildfläche verschwindet. Dieses Protein trägt den kryptischen Namen PEP1. Die Abkürzung steht für PERPETUAL FLOWERING 1 und bedeutet soviel wie ewige oder ständige Blüte. Es blockiert ein wichtiges Blüh-Gen. Erst wenn PEP1 in der Kälte des Winters zerfallen ist, kann dieses Gen abgelesen werden.

Von diesen Forschungsergebnissen könnten auch Praktiker profitieren: „Wir können die Konzentration an miR156 so manipulieren, dass Pflanzen schneller blühen. Das könnte die Züchtung beschleunigen“, sagt Coupland. „Zum Beispiel die Züchtung neuer Kohlsorten, etwa Blumenkohl, Weißkohl oder Grünkohl. Auch diese Kreuzblütengewächse durchlaufen eine lange Phase der Juvenilität.“

Junge Pflanzen blühen nicht Das Max Planck Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen war an einer Studie am zwei- bis mehrjährigen Wald-Schaumkraut (Cardamine flexuosa) beteiligt. Die krautige Pflanze kommt in Mitteleuropa vor und blüht vorwiegend von April bis Juni. Auch in dieser Studie wurde die bedeutende Rolle von mikroRNA bei der Regulation des Blühvorgangs deutlich. Die Wissenschaftler entdeckten außerdem, dass das Überdauern einer Kälteperiode nur dann den Blühvorgang einleitet, wenn die Pflanzen nicht jünger als fünf Wochen waren. Diesen Umstand brachten die Forscher mit dem vermehrten Ablesen und Umschreiben des Gens CfSOC1 in Verbindung. SOC1 steht für SUPPRESSOR OF OVEREXPRESSION OF CONSTANS1. Sie vermuten, dass eine Kälteperiode bei jüngeren Pflanzen nicht zum Blühen führt, weil CfSOC1 in jungen Pflanzen nicht aktiviert wird.

Beide Studien zeigen, dass Alter und Vernalisation die entscheidenden Faktoren für die Steuerung des Blühvorgangs bei mehrjährigen Pflanzen sind. Denn nur wenn sichergestellt ist, dass die Pflanzen nicht blühen, bevor sie einen optimalen Entwicklungsstand zum Überleben und zur Vermehrung erreicht haben, können sie dauerhaft bestehen.
Quellen:
Zhou, C. et al. (2013): Molecular Basis of Age-Dependent Vernalization in Cardamine flexuosa. SCIENCE VOL 340 (31. Mai 2013), 1097 – 1100, DOI: 10.1126/science.1234340.

Bergonzi, S. et al. (2013): Mechanisms of Age-Dependent Response to Winter Temperature in Perennial Flowering of Arabis alpina. SCIENCE VOL 340 (31. Mai 2013),1094-1097, DOI: 10.1126/science.1234116.

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Zhou, C. et al. Pflanzenforschung.de

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