Blattlaus-Alarm: Senföl-Glycoside schützen

Nicht nur Nutz- und Zierpflanzen haben Probleme mit Blattläusen, auch Modellpflanzen aus Forschung und Pflanzenzüchtung wie Arabidopsis thaliana werden von ihnen attackiert.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und der Universität Paris-Sud (Orsay) haben durch genetische Analysen ein Gen entdeckt, das die pflanzeneigene Verteidigung gegen Blattläuse stärkt. Das Gen CYP81F2 bewirkt eine chemische Veränderung natürlich vorkommender Abwehrstoffe aus der Gruppe der Glucosinolate – auch bekannt als Senföl-Glycoside, die den stechend-scharfen Geschmack von Senf, Meerrettich und anderen Kohlgewächsen prägen – und beeinflusst so die Vermehrung der grünen Pfirsich-Blattlaus (Myzus persicae).

Aus der chemischen Grundstruktur von Senföl-Glycosiden können mehr als 120 verschiedene Glucosinolat-Moleküle gebildet werden. Pflanzen aus der Ordnung der Brassicales, zu der auch Kreuzblütler wie Arabidopsis thaliana gehören, besitzen Enzyme, die diese molekulare Vielfalt erzeugen und so zur Abwehr gegen Schädlinge beitragen können. Schon lange bekannt sind Glucosinolate als Giftstoffe gegen Fraßfeinde. Und erst kürzlich konnten Max-Planck-Wissenschaftler zeigen, dass Glucosinolate im pflanzlichen Stoffwechsel auch zu Molekülen umgewandelt werden können, die in Pflanzen gegen Pilzbefall wirken [1].

Mit der Entdeckung des Gens CYP81F2, seiner nachfolgenden Charakterisierung und durch Laborversuche mit der grünen Pfirsich-Blattlaus kommt nun eine neue Rolle der Glucosinolate als Wirkstoff gegen Blattläuse hinzu. „In Versuchsreihen mit Wildtyp-Pflanzen, die das intakte Gen tragen, und Mutanten, in denen CYP81F2 nicht mehr funktionierte, konnten wir feststellen, dass sich auf den Wildtyp-Pflanzen nach einer Woche etwa ein Drittel weniger Blattläuse tummelten als auf den Mutanten. Da Blattläuse sich nahezu exponentiell vermehren, können wir daraus schließen, dass CYP81F2 eine enorme Auswirkung auf das Wachstum von Blattlaus-Kolonien hat“, so Marina Pfalz, die als Doktorandin die Versuche durchgeführt hat und jetzt an der Universität in Paris-Orsay forscht.

CYP81F2 kodiert ein Enzym (eine so genannte Cytochrom P450 Monooxygenase), das die Bildung des gegen Blattläuse wirksamen Senföl-Glycosids 4-Methoxyindol-3-yl-methylglucosinolat (4MO-I3M) einleitet. Gegen die Raupen von anderen Insekten wie Schmetterlingen (Kohlweißling) und Motten (Kohlmotte) zeigte der Stoff keinerlei Wirkung. Er richtet sich somit wahrscheinlich ganz spezifisch gegen Blattlausbefall. „Blattläuse beißen keine Stücke aus den Blättern, so wie Raupen das tun. Stattdessen zapfen sie gezielt und ohne größeren Schaden am pflanzlichen Gewebe direkt die Blattadern an, welche Glucosinolate enthalten, die gegen die Blattläuse wirken“, so der Leiter der Studie, Juergen Kroymann.

Nur Kreuzblütler und verwandte Pflanzen können Glucosinolate bilden und sich damit via 4MO-I3M gegen Blattläuse wehren. Wichtige Nutzpflanzen wie sämtliche Kohlsorten und auch Raps, die zur Familie der Kreuzblütler gehören, können so einen Blattlausbefall in Grenzen halten. Das Wissen um das Gen CYP81F2 und den Wirkstoff 4MO-I3M verspricht neue Entwicklungen und Anwendungen in der Pflanzenzüchtung und im Pflanzenschutz.

Die genetischen Analysen, die die Wissenschaftler einsetzten, basierten auf der Kartierung eines so genannten „quantitative trait locus“ (QTL), also einer genetischen Region auf einem der Chromosomen von Arabidopsis thaliana, der verantwortlich für Variationen im Glucosinolatstoffwelchsel ist. Durch Feinkartierung und umfassende Genexpressions-Analysen konnte schließlich das Gen CYP81F2 identifiziert werden. Das Ur-Substrat für das Senföl-Glycosid 4MO-I3M ist die Aminosäure Tryptophan. [JWK]

[1] Bednarek et al., Science 323:101-106, 2009

Originalpublikation:
Marina Pfalz, Heiko Vogel, Juergen Kroymann, The gene controlling the Indole Glucosinolate Modifier 1 quantitative trait locus alters indole glucosinolate structures and aphid resistance in Arabidopsis, The Plant Cell 21, 985-999 (2009).
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Juergen Kroymann, Université Paris 11, Laboratoire d'Ecologie, Systématique et Evolution, CNRS UMR8079, F-91405 Orsay cedex, Tel. : +33 1 69 15 70 49 ; juergen.kroymann@u-psud.fr
Bildmaterial:
Angela Overmeyer M.A., MPI chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena
Tel.: 03641 – 57 2110, overmeyer@ice.mpg.de
Das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Chemische Ökologie ist eine junge Disziplin der Biologie. Wechselwirkungen, schädliche wie nützliche, werden durch chemische Signale zwischen Lebewesen vermittelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen die Struktur und Funktion der Moleküle, die das Wechselspiel zwischen Pflanzen, Insekten und Mikroben steuern, und erzielen Erkenntnisse über Wachstum, Entwicklung, Verhalten und Ko-Evolution pflanzlicher und tierischer Arten. Ergebnisse dieser biologischen Grundlagenforschung werden für Naturstoffanalysen, moderne Umweltforschung und zeitgemäße Agrikulturverfahren genutzt. Das Institut verfügt über Forschungsgewächshäuser, Klimakammern, Insektenzuchtanlagen, Geruchsdetektionssysteme, Windtunnel, neurophysiologische Analyseverfahren und Freilandstationen.

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Dr. Jan-Wolfhard Kellmann Max-Planck-Gesellschaft

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