Blasentang: Robuster als vermutet

Der Blasentang Fucus vesiculosus ist eigentlich eine der wichtigsten Braunalgenarten im nordatlantischen Raum. In der Ostsee gehen die Bestände aber seit Jahren zurück.

Auf der Suche nach den Gründen haben Biologen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel jetzt Abwehrmechanismen des Blasentangs gegenüber bakteriellen Schädlingen analysiert. Das überraschende Ergebnis: Die Abwehr erwies sich auch bei Umweltveränderungen als überaus robust. Die Studie erscheint heute in dem internationalen Online-Wissenschaftsjournal PLOS ONE.

Er wird bis zu 30 Zentimeter lang, hat eine grünbraune Farbe und ist wahrscheinlich jedem Strandspaziergänger an Nord- und Ostsee schon einmal begegnet. Die Rede ist vom Blasentang, einer Braunalgenart, die an den Küsten des gesamten Nordatlantischen Raums verbreitet ist. Der Tang bietet Nahrung und Lebensraum für viele weitere Organismen.

Seine Häufigkeit gilt als Indiz dafür, ob ein Küstenökosystem intakt ist oder nicht. Gerade in der deutschen Ostsee ist sein Bestand in den vergangenen zehn Jahren allerdings stark zurückgegangen. Die Gründe dafür sind noch nicht vollständig bekannt. „Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu wissen, welche Umweltveränderungen dem Blasentang warum zu schaffen machen“, sagt die Biologin Dr. Mahasweta Saha vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Mit dem Klimawandel ändern sich die Temperaturverhältnisse in der Ostsee, außerdem hat starker Eintrag von Nährstoffen in den letzten Jahren zu stärkerer Wassertrübung und geringerer Lichtverfügbarkeit geführt. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass diese Veränderungen für den Rückgang der Blasentang-Vorkommen mit verantwortlich sind.

Doch eine neue Studie, die jetzt in dem internationalen Online-Wissenschaftsjournal PLOS ONE erscheint, zeigt, dass der Blasentang robuster auf diese Umweltveränderungen reagiert als bisher angenommen. „Zumindest die Abwehr von Bakterien, die zum Beispiel Fäulnis beim Blasentang auslösen können, funktioniert auch bei hohen Temperaturen und langer Dunkelheit“, erklärt Dr. Saha, die Erstautorin der Studie ist.

Bakterien spielen im Leben des Blasentangs, der den fachlichen Namen Fucus vesiculosus trägt, allgemein eine entscheidende Rolle. Der Tang lebt in Symbiose mit zahlreichen Bakterienarten, die ihn beispielsweise mit bestimmten Wuchsstoffen und Nährstoffen versorgen.

Andererseits können bestimmte andere Bakterienarten dem Tang auch schaden. Um sie abzuwehren, produziert er gleich mehrere chemische Verbindungen, wie Saha in früheren Arbeiten nachweisen konnte. „Eine dieser Verbindungen war bis vor Kurzem nur als Pigment bekannt. Dass es auch eine Schutzfunktion übernimmt, war eine kleine Sensation“, erklärt die Biologin.

Um nun herauszufinden, ob das empfindliche System der Abwehrstoffe von Umweltveränderungen beeinträchtigt werden kann, setzten die Wissenschaftler Blasentang aus der Ostsee in kontrollierten Klimakammern Durchschnittstemperaturen von bis zu 25 Grad Celsius aus. Andere Exemplare hielten sie in offenen Versuchsanlagen auf Pontons in der Kieler Förde, Benthokosmen genannt.

„Mit Hilfe spezieller Folien habe wir dort verschiedene Lichtbedingungen geschaffen – von normalen Tageslicht ohne Änderungen bis hin zu dauernder Dunkelheit“, erklärt Dr. Florian Weinberger vom GEOMAR, Co-Autor der aktuellen Studie.

Bei den anschließenden Untersuchungen konnten die Forscher zwar feststellen, dass die Tangpflanzen bei höheren Temperaturen oder bei geringerem Lichteinfall einzelne Abwehrstoffe in kleineren Mengen produzierten als unter unveränderten Bedingungen. „Doch dank der Mischung verschiedener Abwehrstoffe blieb die Abwehr insgesamt selbst bei den höchsten simulierten Temperaturen und bei absoluter Dunkelheit wirksam“, erklärt Saha.

Dabei fanden die Kieler Forscher außerdem heraus, dass die gleichen Stoffe, die schädliche Bakterien abwehren, andere für den Blasentang nützliche Bakterien anlocken. „Auch das ist eine neue Erkenntnis“, erklärt Dr. Weinberger.

Insgesamt zeige die Studie, dass Abwehrmechanismen und Symbioseverhältnisse beim Blasentang deutlich komplizierter sind, als bisher angenommen, so die Wissenschaftler. „Wenn wir genau verstehen wollen, warum der Blasentang auf bestimmte Umweltveränderungen wie reagiert, müssen wir seinen Stoffwechsel und seine Beziehungen zu anderen Organismen wie den Bakterien noch viel besser kennen lernen“, sagt Saha.

Originalarbeiten:
Saha, M., M. Rempt, S. B. Stratil, M. Wahl, G. Pohnert, F. Weinberger (2014): Defence chemistry modulation by light and temperature shifts and the resulting effects on associated epibacteria of Fucus vesiculosus. PLOS ONE, http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0105333

Saha, M., M. Wahl (2013): Seasonal variation in the antifouling defence of the temperate brown alga Fucus vesiculosus. Biofouling: The Journal of Bioadhesion and Biofilm Research, Volume 29, Issue 6, http://dx.doi.org/10.1080/08927014.2013.795953

Saha, M., M. Rempt, B. Gebser, J. Grueneberg, G. Pohnert, F. Weinberger (2012): Dimethylsulphopropionate (DMSP) and proline from the surface of the brown alga Fucus vesiculosus inhibit bacterial attachment. Biofouling: The Journal of Bioadhesion and Biofilm Research, Volume 28, Issue 6, http://dx.doi.org/10.1080/08927014.2012.698615

Saha, M., M. Rempt, K. Grosser, G. Pohnert, F. Weinberger (2011): Surface-associated fucoxanthin mediates settlement of bacterial epiphytes on the rockweed Fucus vesiculosus. Biofouling: The Journal of Bioadhesion and Biofilm Research, Volume 27, Issue 4, 423-433, http://dx.doi.org/10.1080/08927014.2011.580841

Weitere Informationen:

http://www.geomar.de  Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

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Andreas Villwock idw - Informationsdienst Wissenschaft

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