Biochemiker der TU München verlängern Wirkzeit pharmakologischer Substanzen: Proteine in XL

Wer an chronischer Hepatitis B leidet, wird häufig mit dem Gewebshormon Interferon behandelt. Das Problem: Interferon ist ein sehr kleines Protein, deshalb wird es bereits nach kurzer Zeit wieder über die Niere ausgeschieden. Für den Patienten bedeutet das alle zwei Tage eine hoch dosierte Spritze, damit die Wirkung der Substanz nicht vorzeitig nachlässt.

Deutlich länger bleibt Interferon dagegen im Körper, wenn es chemisch mit einem synthetischen PEG-Molekül (Polyethylenglycol) gekoppelt ist. PEG ist eine Art Knäuel aus einem langkettigen Polymerfaden, das Wasser aufsaugt und sich dadurch aufbläht. Auf diese Weise wird das PEG-Molekül so groß, dass es nicht durch die feinen Poren der Niere passt – das angekoppelte Interferon wird daher länger im Blutkreislauf gehalten, und der Patient muss nur eine Spritze alle ein bis zwei Wochen erhalten.

Wissenschaftler der TU München um Prof. Arne Skerra vom Lehrstuhl für Biologische Chemie am Wissenschaftszentrum Weihenstephan haben jetzt mithilfe der Gentechnik einen Aminosäurefaden entwickelt, der sich ähnlich wie PEG verknäult und Wasser anlagert. Im Gegensatz zu vielen PEG-Verbindungen besteht jedoch nicht die Gefahr, dass sich dieses Anhängsel im Körper anreichert. Vielmehr wird es – über einen längeren Zeitraum – ausgeschieden oder biologisch abgebaut. Denn der Aminosäurefaden ist aus lediglich drei der 20 natürlich vorkommenden Aminosäuren zusammengesetzt:
Prolin, Alanin und Serin, kurz PAS.

Der Proteinwirkstoff Interferon, der ja seinerseits aus Aminosäuren aufgebaut ist, lässt sich dadurch auch auf einfache Weise in „PASylierter“
Form gewinnen. In ersten Versuchen mit Tieren stellten die TUM-Wissenschaftler fest, dass ein PASyliertes Interferon eine um den Faktor 60 verlängerte Halbwertszeit im Blut aufweist, so dass damit tatsächlich verlängerte Dosierungsintervalle ermöglicht werden.

Ein weiterer Vorteil liegt in der vereinfachten biotechnologischen Herstellung, denn die DNA-Stücke, die die Informationen für den PAS-Aminosäurefaden beziehungsweise das Interferon tragen, werden einfach aneinandergehängt und dann zum Beispiel in ein Bakterium eingepflanzt. Das Bakterium produziert das PASylierte Interferon gleichsam am Stück, so dass anders als bei einer chemischen Kopplung von PEG mit Interferon wesentlich weniger Herstellungsschritte nötig sind. Skerra: „Dadurch werden die Produktionskosten erheblich sinken.“

PASylieren lassen sich prinzipiell alle kleinen Proteine, die bereits als Medikamente eingesetzt oder bei Pharmafirmen derzeit entwickelt werden, wie zum Beispiel Wachstumsfaktoren oder funktionelle Antikörperfragmente: ein riesiger Markt für die neue Technologie. Prof. Skerra hat deshalb zusammen mit seinen Mitarbeitern die Gründung einer neuen Biotech-Firma vorangetrieben, der XL-protein GmbH, die im Frühjahr ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen hat. „Unsere Technologie hat das Potenzial dazu, Blockbuster-Medikamente einer neuen Generation hervorzubringen“, ist der TUM-Biochemiker überzeugt. Mehrere der neuen Wirkstoffe seien bereits im Stadium der fortgeschrittenen präklinischen Entwicklung.

Kontakt:
Technische Universität München
Lehrstuhl für Biologische Chemie
Prof. Dr. Arne Skerra
85350 Freising-Weihenstephan
Tel.: 08161 / 71- 4350
E-Mail: skerra@wzw.tum.de

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