Dem Bienensterben auf der Spur

Das Verschwinden hat einen Namen: Colony Collapse Disorder (CCD). Oder auf Deutsch: Völkerkollapsstörung. Bienenforscher aus den USA verwendeten den Begriff im Jahr 2007 zum ersten Mal, nachdem Bienenzüchter ihnen von einem mysteriösen massenhaften Verschwinden ihrer Völker berichtet hatten. Der plötzliche Bienentod blieb allerdings nicht auf die USA begrenzt. Das Phänomen ist mittlerweile weltweit zu beobachten.

Zahlreich sind die Theorien über die Auslöser des Bienensterbens. Hauptverdächtige sind Parasiten wie beispielsweise die Varroa-Milbe. Aber auch der vermehrte Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und eine schwindende Artenvielfalt stehen im Fokus.

Schwierige Forschung an Bienen

Schwierig gestaltet sich die Suche nach den Verantwortlichen vor allem deshalb, weil kein Volk dem anderen gleicht und die Bedingungen, unter denen die Bienen aufwachsen und leben, niemals identisch sind. Für wissenschaftliches Arbeiten sind das keine guten Voraussetzungen. Das könnte sich nun allerdings ändern: „Wir haben eine Methode entwickelt, die es möglich macht, Bienen in großer Zahl im Labor zu züchten“, sagt Harmen Hendriksma. Damit könnten Wissenschaftler weltweit unter kontrollierten und miteinander vergleichbaren Bedingungen untersuchen, welche Faktoren Bienen das Leben schwer machen.

Hendriksma ist Doktorand am Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der Universität Würzburg. Über seine Arbeit berichtet die Fachzeitschrift Methods in Ecology and Evolution der British Ecological Society in ihrer aktuellen Ausgabe.

Wenn Wissenschaftler bislang Bienen im Labor züchten wollen, benötigen sie zuallererst eine ruhige Hand und viel Feingefühl. Mit Federn, Nadeln oder Pinzetten holen sie die Bienenlarven aus den Waben im Bienenstock – was nicht ganz einfach ist, da der Bienennachwuchs im frühen Larvenstadium gerade mal einen Millimeter misst und für das bloße Auge kaum zu sehen ist. Diese Arbeit ist zeitaufwändig und gefährlich – zumindest für die Larven. Die sind nämlich so empfindlich, dass viele von ihnen den ruppigen Ortswechsel nicht überleben oder oft in ihrer Entwicklung gestört werden.

Die neu entwickelte Methode

An diesem Punkt kommt Hendriksmas Entwicklung ins Spiel: „Wir benutzen eine Art künstliche Wabe aus Plastik“, sagt der Doktorand. Das Kästchen ist etwa so groß wie eine Zigarrenkiste und besitzt 110 Waben, die den typischen Wachswaben gleichen. An ihren Enden befinden sich abnehmbare Böden, die wie kleine Näpfe geformt sind. In diese legt die Königin ihre Eier.

Die Näpfe nehmen die Wissenschaftler anschließend ab und tragen sie samt Inhalt in ihr Labor. „Innerhalb von 90 Minuten konnten wir auf diese Weise mehr als 1000 Larven sammeln“, sagt Hendriksma. Die Larven scheinen mit dieser Methode auch keine Probleme zu haben: 97 Prozent von ihnen überlebten den Transport und entwickelten sich im Labor ganz normal bis ins Larvenstadium kurz vor der Verpuppung.

Die erfolgreiche Aufzucht von Bienen im Labor ist laut Hendriksma der Schlüssel für die Suche nach den Auslösern des Völkerkollapses: „Nur im Labor ist es möglich, unter kontrollierten Bedingungen zu untersuchen, wie sich bestimmte Faktoren auf die Entwicklung der Bienen auswirken – beispielsweise Insektizide, die Varroa-Milbe oder eine schlechte Ernährung.“ Ganz anders eben als in draußen lebenden Kolonien, deren Leben von zahlreichen unkontrollierbaren Einflüssen bestimmt ist.

Mit dieser Technik könnten darüber hinaus endlich auch Wissenschaftler an unterschiedlichen Standorten unter identischen Bedingungen arbeiten und somit ihre Ergebnisse untereinander vergleichen oder gegenseitig überprüfen.

Die wirtschaftliche Bedeutung von Bienen

Mehr Wissen über das Bienensterben ist nach Hendriksmas Ansicht unbedingt nötig: „Bienen sind sowohl für die Natur als auch für die Landwirtschaft unverzichtbar.“ Schließlich sind Bienen die wichtigsten natürlichen Bestäuber.

So schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dass von 100 Nutzpflanzen mehr als zwei Drittel in erster Linie von Honigbienen bestäubt werden. Und einer Studie von Wissenschaftlern aus Frankreich und Deutschland aus dem Jahr 2008 zufolge würden die Schäden, die in Zukunft durch das Fehlen von bestäubenden Insekten entstehen könnten, zwischen 190 und 310 Milliarden Euro pro Jahr betragen.

Auch in der freien Natur ist die Bestäubungsleistung der Bienen von enormer Bedeutung. „Bienen sind wichtig sowohl für Pflanzen als auch für Tiere.“ Sie sorgen dafür, dass sich Pflanzen fortpflanzen und Tiere von deren Früchten ernähren können. Die Biene bilde somit „die Basis der Artenvielfalt“.

Die Forschergruppe

Harmen Hendriksma ist Mitglied einer Forschergruppe um Professor Ingolf Steffan-Dewenter, der vor einem Jahr die Leitung des Lehrstuhls für Zoologie III (Tierökologie und Tropenbiologie) an der Universität Würzburg übernommen hat. Die Gruppe untersucht in Freilandexperimenten und im Labor Themen wie Populationsdynamik, Artenvielfalt und Artenzusammensetzung bei Insekten, die Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen, Pflanzenfressern, Bestäubern und deren Gegenspielern sowie die Bedeutung von Insekten für terrestrische Ökosysteme.

Arbeiten über die Auswirkungen menschlicher Einflüsse auf diese Ökosysteme kommen dazu.

Wenn es um die Biene geht, erforschen die Wissenschaftler, wie sich bestimmte Faktoren – der Rückgang der Artenvielfalt, die Intensivierung der Agrarwirtschaft, der Anbau transgener Pflanzen, der Einsatz von Pestiziden und die Verbreitung von Krankheiten beispielsweise – einzeln und in verschiedenen Kombinationen untereinander auf das Vorkommen von Arten auswirken.

Die neue Methode, Bienen im Labor zu züchten, setzen die Würzburger Wissenschaftler bereits in einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Studie ein. Dabei untersuchen sie den Einfluss einer neuen transgenen Maissorte auf Honigbienen.

“Honey bee risk assessment: New approaches for in vitro larvae rearing and data analyses”, Harmen Pieter Hendriksma, Stephan Härtel and Ingolf Steffan-Dewenter, Methods in Ecology and Evolution doi: 10.1111/j.2041-210X.2011.00099.x

Ein PDF der Publikation erhalten Sie in der Pressestelle der Universität Würzburg, T: (0931) 31-82172, E-Mail: presse@zv.uni-wuerzburg.de

Kontakt: Harmen Hendriksma, T: (0931) 31-82385, E-Mail: harmen-pieter.hendriksma@uni-wuerzburg.de

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Gunnar Bartsch idw

Weitere Informationen:

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