Betrogene Männchen singen lauter

Ein männlicher Steinsperling: sein Gesang verrät lauschenden Weibchen viel über seine Qualität als potentieller Partner. Wie Forscher vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und der Universität Kopenhagen herausfanden, spielt das Tempo, die Tonhöhe und die Lautstärke des Gesanges den Fortpflanzungserfolg des Sängers wider. © Henrik Brumm/MPI für Ornithologie <br>

Der Gesang der Singvogel-Männchen ist vielfältig und dient vor allem dazu, Rivalen abzuschrecken und Weibchen anzulocken. Vogelweibchen achten dabei meist nur auf besondere Merkmale des Gesanges, wie z.B. das Vorhandensein spezieller Silben, um die Qualität des Männchens zu beurteilen.

Ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und der Universität Kopenhagen hat nun bei Steinsperlingen herausgefunden, dass das Tempo, die Tonhöhe und die Lautstärke des Gesanges den Fortpflanzungserfolg der Männchen widerspiegelt. Überraschenderweise sangen die erfolgreicheren, meist älteren Männchen in einer höheren Tonhöhe und mit geringerem Tempo als die jüngeren.

Ältere Männchen wurden aber von ihren Weibchen auch häufiger betrogen, konnten dies jedoch durch vermehrtes eigenes Fremdgehen mehr als wettmachen und hatten so den größten Fortpflanzungserfolg. Betrogene Männchen, egal ob jung oder alt, sangen lauter; vermutlich als Reaktion auf die Abwesenheit ihrer Partnerin.

Vogelweibchen haben es oft sehr schwer, die Qualität der Männchen zu beurteilen. Viele Männchen putzen sich mit ihrem Gefieder regelrecht heraus, um Weibchen zu beeindrucken. Singvögel haben es da scheinbar leichter, können sie doch ihren Gesang meist in einer abenteuerlichen Art und Weise variieren. Doch auf was soll ein Weibchen achten, etwa auf die Gesamtanzahl aller Silben, die ein Männchen zu singen vermag? Das würde bei vielen Arten, die ein umfangreiches Repertoire besitzen, sehr lange dauern. So verlegen sich Weibchen bei vielen Arten darauf, auf besondere Merkmale im Gesang zu achten, wie z.B. die sogenannten “sexy Silben“ beim Kanarienvogelgesang. Das heißt, je mehr ein Männchen von einem bestimmten Gesangsmerkmal zu singen in der Lage ist, desto höher ist auch seine Qualität, und das Weibchen kann auf gesunden und starken Nachwuchs hoffen. Das trifft bei einigen Arten vermutlich auch auf das Gesangsmerkmal Lautstärke zu, so ist für Weibchen beim Zebrafinken lauter Gesang attraktiver als leiser.

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Henrik Brumm vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen hat nun an einer Population von Steinsperlingen in den französischen Alpen scheinbar das Gegenteil herausgefunden. Die Forscher nahmen in zwei aufeinanderfolgenden Brutzeiten die Gesänge von männlichen Steinsperlingen auf. Besonderes Augenmerk legten sie dabei auf die Lautstärke des Gesanges – aufgrund der Schwierigkeit, Lautstärkemessungen im Freiland vorzunehmen, ein bisher vernachlässigter Parameter in der Verhaltensforschung. Die Vögel brüteten ausschließlich in an Strommasten angebrachten hölzernen Nistkästen, die auch als Singwarten genutzt wurden. Auf diese Weise konnten die Forscher ihre Mikrofone an den Masten in definierter Entfernung zum singenden Vogel anbringen, was für eine zuverlässige Messung des Schalldruckpegels unerläßlich ist. Zusätzlich konnten sie bei über 50 Männchen Vaterschaftsanalysen mittels der Mikrosatelliten-Methode durchführen.

Steinsperlinge singen einen sehr einfachen Gesang, der nur aus einer Silbe besteht, die mehrere Male wiederholt wird. Damit steht die Art im deutlichen Kontrast zu beispielsweise der Nachtigall, die ein schier unermessliches Repertoire an verschiedenen Gesangsmustern besitzt. Überraschenderweise zeigte sich zunächst, dass die Vögel, die mit langsamerem Tempo und in höherer Tonlage sangen, einen größeren Anteil an außerpaarlichen Jungen hatten, also mehr Junge in fremden Nestern zeugten. Die erfolgreicheren Männchen waren meist älter und unterschieden sich von den jungen, einjährigen Rivalen durch ihr langsameres Gesangstempo. Ältere Männchen haben einen höheren Status und müssen diesen vermutlich nicht in ihrem Gesang zeigen, während junge, einjährige Männchen es schwer haben, wenn sie versuchen, ihre geringere Attraktivität für Weibchen durch eine höhere Gesangsrate und tiefere Töne auszugleichen. Darüber hinaus hatten diejenigen Männchen, die lauter sangen, mehr Nachkommen im eigenen Nest, die nicht von ihnen stammten. Auch hier gab es einen Altersunterschied: Ältere Männchen hatten mehr Fremdvaterschaften im eigenen Nest und sangen auch öfters mit höherer Lautstärke als ihre jüngeren Nebenbuhler.

„Der lautere Gesang von Männchen, die ihre Vaterschaft an Rivalen verlieren, ist daher kein Qualitätsmerkmal, sondern vermutlich der vergebliche Versuch den untreuen Partner stärker an sich zu binden“. sagt Erwin Nemeth, Erstautor der Studie. Die älteren Männchen können ihren Verlust an Vaterschaften im eigenen Nest durch mehr Nachkommen in fremden Nestern wettmachen, den jüngeren einjährigen Männchen hingegen bleibt nur übrig, auf bessere Zeiten im nächsten Jahr zu warten.

Ansprechpartner

Dr. Erwin Nemeth
Forschungsgruppe Kommunikation und Sozialverhalten
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen
Telefon: +43 664 456-8191
Email: enemeth@­orn.mpg.de
Originalveröffentlichung
Erwin Nemeth, Bart Kempenaers, Giuliano Matessi, Henrik Brumm
Rock sparrow song reflects male age and reproductive success
PLoS One, veröffentlicht online am 23.8.2012

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Dr. Erwin Nemeth Max-Planck-Institut

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