Fliegen fliegen mit beherzten Flügeln

Günther Pass und Markus Tögel von der Fakultät für Lebenswissenschaften an der Universität Wien erforschen die Entwicklung der Flügelkreislauforgane der Taufliege Drosophila melanogaster. Ziel ist es, jene genetischen Abläufe zu erforschen, die für die Entwicklung von Kreislauforganen und deren Funktion wichtig sind. Bereits nach einigen Monaten Forschung gibt es erste Ergebnisse.

Taufliegen sind jene lästigen winzigen Fliegen, die sich in unseren Obstschüsseln tummeln. Eine davon ist Drosophila melanogaster, die als Modellorganismus der Entwicklungsgenetik große Berühmtheit erlangt hat und als eines der am besten erforschten Lebewesen gilt. Jährlich erscheinen mehr als 4.000 Publikationen über Drosophila, und dennoch gibt es Organe bei dieser Insektenart, die nahezu unerforscht sind. Auch nach 100 Jahren intensiver Forschungen lässt sich bei Drosophila noch immer wissenschaftliches Neuland beschreiten.

Das erzählt Ao. Univ.-Prof. Dr. Günther Pass vom Department für Evolutionsbiologie. Er untersucht in einem im Juni begonnenen FWF-Projekt gemeinsam mit dem Doktoranden Mag. Markus Tögel und Univ.-Prof. Achim Paululat von der Universität Osnabrück die Flügelkreislauforgane bei Drosophila. Die Forschungen sollen zu einem besseren Verständnis darüber beitragen, wie Organe generell entstehen.

Jedes Herz am richtigen Fleck

Die Anatomie der Insekten ist verblüffend: Neben dem großen Hauptherz im Rücken gibt es mehrere kleine Herzen, die Körperanhänge wie Antennen, Beine oder Flügel mit Blut versorgen. Die Flügel der Insekten sind von Adern durchzogen, die mit Blut gefüllt sind. Damit die Zirkulation in den Flügeln funktioniert, haben sie eigene kleine Pumpen oder „Nebenherzen“.

Evolution neuer Organe

„Urinsekten hatten noch keine Flügel“, erklärt Günther Pass, „Flügel inklusive deren 'Herzen' sind also evolutionäre Innovationen, anhand derer sich gut untersuchen lässt, wie neue Organe überhaupt entstehen.“ Günther Pass geht davon aus, dass die Flügelzirkulationsorgane der Fruchtfliege aus Zellen bestehen, die während der Entwicklung der Individuen vom Gewebe des Herzens bezogen wurden. Diese Hypothese prüft das laufende Projekt, und sie kann bereits vorsichtig bestätigt werden. Allerdings gehen die Flügelkreislauforgane nicht direkt auf Herzzellen selbst zurück, sondern auf gemeinsame frühe Vorläuferzellen.

Leuchtende Methode

Im Rahmen des Projekts arbeiten die Evolutionsbiologen mit Prof. Dr. Achim Paululat von der Universität Osnabrück zusammen. In seiner Arbeitsgruppe wurde eine Zuchtlinie von Drosophila entwickelt, bei der die Herzzellen unter dem Fluoreszenzmikroskop stark leuchten, so dass man durch das lebende Tier hindurch die Herzbewegungen sehen kann. An diesen Fliegen lässt sich die Entwicklung der Kreislauforgane bis in den frühen Embryo zurückverfolgen. Darüber hinaus versuchen die Forscher in einem genetischen Ansatz in Mutationszuchtlinien Phänotypen zu finden, bei denen die Bildung oder Funktion der Flügelkreislauforgane verändert ist. An solchen Tieren lassen sich dann in weiterer Folge die Gene identifizieren, die für die Entwicklung der Flügelherzen verantwortlich sind.

Erste Ergebnisse

In den ersten Monaten des Projekts kam Markus Tögel bereits zu neuen Ergebnissen. Er erzeugte durch genetische Manipulation Fliegen, die keine Flügelherzen bilden beziehungsweise zerstörte in einem anderen Experiment die Flügelherzen mit Laserstrahlen. Beide Male waren die Flügel der Fliege daraufhin nicht mehr funktionsfähig – sie können ohne ihr „Herz“ also nicht fliegen. Der Grund ist – wie Tögel herausfand -, dass die kleinen Pumpen bei der Entwicklung der Flügel eine wichtige Rolle spielen. Am Ende der Flügelbildung saugen sie nämlich die nicht mehr benötigten Hautzellen heraus. Ohne „Herz“ verbleiben diese Hautzellen in den Flügeln, und diese sind dann zum Fliegen unbrauchbar.

Kontakt:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Günther Pass
Universität Wien
Department für Evolutionsbiologie
1090 Wien, Althanstraße 14
T +43-1-4277-544 93
M +43-664-602 77-710 00
guenther.pass@univie.ac.at
Rückfragehinweis:
Mag. Alexandra Frey
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
alexandra.frey@univie.ac.at

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Veronika Schallhart idw

Weitere Informationen:

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