Spurensuche im Labyrinth der Pflanzen

Eine Sisyphus-Aufgabe bewältigen Kristin Victor, Dr. Hans-Joachim Zündorf und Dr. Jochen Müller von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Arbeitsgruppe am Herbarium Haussknecht erfasst die Typen lateinamerikanischer Pflanzen aus dem Gesamtbestand von etwa drei Millionen Belegen.

Als Typen bezeichnen die Botaniker jene Pflanzen, die zur Beschreibung einer Art dienen. Die amerikanische Mellon Foundation ermöglicht die Erfassung, um die Typen der weltweiten Wissenschaftsgemeinde zugänglich zu machen.

„Im Herbarium Haussknecht befinden sich insgesamt 40.000 bis 60.000 Typen“, sagt Dr. Hans-Joachim Zündorf, der Kustos des Herbariums. Diese Typen gelte es nun aus dem Gesamtbestand zu „filtern“. Dabei bearbeitet Zündorf den Bestand an Moosen, seine Kollegen Dr. Jochen Müller und Kristin Victor widmen sich den Phanerogamen, den Farn- und Blütenpflanzen. Im Herbarium sind die Pflanzen nach Arten und Gattungen geordnet, nicht nach ihrer Herkunft. Ergo müssen die Botaniker wissen, in welchen systematischen Gruppen sie lateinamerikanische Pflanzen erwarten können. „Leider sind das häufig sehr artenreiche Gattungen, so dass der Suchaufwand enorm ist“, sagt Dr. Zündorf.

Ein Beispiel: Von einer weit verbreiteten Art mussten etwa 800 Belege durchgesehen und geografisch sortiert werden. Dabei stammten 99 Prozent aus Europa, fünf Belege waren aus Südamerika und unter diesen waren zwei Typen. Sind die gefunden, werden sie entnommen, mit der Literatur verglichen und eingeordnet. Mit einem speziellen Scanner werden von den Typen hochauflösende Aufnahmen angefertigt. Jede Datei weist etwa 200 Megabyte auf.

Ermöglicht wird die Typenerfassung durch die Unterstützung der Andrew W. Mellon Foundation mit Sitz in New York, die bereits die Typen afrikanischer Pflanzen erfassen ließ. „Die Mellon Foundation fördert das Projekt, indem sie Personalkosten übernimmt und uns technisches Equipment bereitstellt“, sagt Prof. Dr. Frank Helmut Hellwig, Inhaber des Lehrstuhls für Spezielle Botanik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zu den Zielen des Projekts, in das zahlreiche Herbarien weltweit involviert sind, gehöre der Wissenstransfer in ärmere Länder. Sollen doch die Aufnahmen der Typen über wissenschaftliche Bibliotheken zugänglich gemacht werden. „Ein Hintergedanke ist der Schutz der Diversität, der Artenvielfalt. Denn ich kann nur schützen, was ich auch kenne“, sagt Hellwig.

Für das Herbarium Haussknecht, das sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs im Hauptgebäude der Jenaer Universität (Fürstengraben 1) befindet, ist das aktuelle Drittmittelprojekt ein echter Glücksfall. Bietet sich doch dadurch die einmalige Chance, den Bestand zu sichten und aufzuarbeiten. Als „einen großen Schritt nach vorn“ sieht Hans-Joachim Zündorf die Erfassung der Typen, die sich nicht auf Lateinamerika beschränken wird. Die Durchsicht des Bestands legt es nahe, alle Typen in der Sammlung zu erfassen. Deshalb soll die Arbeit über das geplante Projektjahr hinaus fortgeführt werden.

Ein schöner Nebeneffekt des entstehenden Netzwerks mit Herbarien in St. Petersburg, Madrid, Berlin und in den USA besteht darin, das Herbarium Haussknecht international bekannter zu machen. Immerhin gehört die einst vom Weimarer Gelehrten Carl Haussknecht begonnene und als private Stiftung hinterlassene Sammlung zu den 20 größten Herbarien weltweit. Die ältesten Blätter stammen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, in der Sammlung finden sich zudem Belege von Forschungsreisenden wie Alexander von Humboldt. Jochen Müller drückt es so aus: „Wir haben Schätze in der Sammlung, von denen niemand etwas weiß.“

Kontakt:
Dr. Hans-Joachim Zündorf
Herbarium Haussknecht der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 1, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949280
E-Mail: H.J.Zuendorf[at]uni-jena.de

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Stephan Laudien idw

Weitere Informationen:

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