Rossameisen: Zubrot aus dem Darm

Dass die Bakterien aus der Gattung Blochmannia mit Rossameisen eine Lebensgemeinschaft eingehen, hat der Forscher Friedrich Blochmann erstmals vor 120 Jahren beschrieben. In den folgenden Jahrzehnten wurden viele ähnliche Partnerschaften entdeckt.

Dabei fiel den Wissenschaftlern früh auf: Diese Symbiosen kommen in der Regel nur bei Tieren vor, die sich auf ein besonderes Futter spezialisiert haben – auf eines nämlich, dem bestimmte Nährstoffe fehlen. Das ist etwa bei Blattläusen der Fall, die von Pflanzensaft leben, oder bei den Blut saugenden Tsetse-Fliegen. Entsprechend vermuteten die Biologen seit Langem, dass die Bakterien ihre Lebenspartner mit genau denjenigen Nährstoffen versorgen, die in der Nahrung fehlen.

Die Rossameisen allerdings blieben in diesem Zusammenhang bis heute rätselhaft. „Sie sind Allesfresser und ernähren sich von lebenden Insekten und toten Tieren genau so wie von Vogelkot oder Urin. Außerdem fressen sie Pilze von Blattoberflächen, holen sich Honigtau von Blattläusen oder Nektar von Pflanzen“, erklärt die Würzburger Biologin Heike Feldhaar. Alles in allem also eine recht abwechslungsreiche und ausgewogene Kost, bei der es gewiss nicht zu einem Mangel an bestimmten Nährstoffen kommen sollte. Wozu halten sich die Ameisen dann Bakterien in speziellen Zellen des Darmgewebes?

Dieses Rätsel hat die Zoologin Feldhaar nun gemeinsam mit ihren Biozentrumskollegen Martin Müller (Pharmazeutische Biologie) und Roy Gross (Mikrobiologie) sowie mit weiteren Mitarbeitern gelöst. Die Forscher fütterten Rossameisen mit genau definierter Nahrung, wobei ein Teil der Insekten mit Antibiotika behandelt und dadurch frei von Bakterien war. Mit hoch empfindlichen analytischen Verfahren konnten sie nachweisen, dass die Bakterien essenzielle Aminosäuren produzieren und sie ihren Wirten zur Verfügung stellen. An solche Aminosäuren kommen die Ameisen sonst nur, wenn sie proteinreiche Nahrung fressen.

Die Würzburger vermuten, dass die Bakterien mit diesem Zubrot das Zünglein an der Waage waren, das den Rossameisen zu ihrem enormen Erfolg verholfen hat: Die Ameisengattung, die den wissenschaftlichen Namen Camponotus trägt, ist auf der ganzen Welt zu finden und kann auch in nährstoffarmen Lebensräumen, wie den Baumkronen tropischer Regenwälder, in großer Zahl siedeln. „Dank ihrer Bakterien sind Rossameisen nicht darauf angewiesen, ständig Beute machen zu müssen“, sagt Heike Feldhaar. Stattdessen könnten die Insekten auch deutlich länger als andere Gattungen mit kargen Nahrungsquellen wie Pflanzennektar oder Honigtau auskommen – ein klarer Evolutionsvorteil.

Von den Rossameisen sind weltweit bislang rund 1.000 Arten beschrieben. Damit stellen sie die artenreichste Ameisengattung überhaupt. Etwa zehn Prozent der bis heute bekannten Ameisen gehören in die Gattung Camponotus.

Weitere Informationen: Dr. Heike Feldhaar, Lehrstuhl für Zoologie II (Verhaltensphysiologie und Soziobiologie), T (0931) 888-4305, feldhaar@biozentrum.uni-wuerzburg.de

Heike Feldhaar, Josef Straka, Markus Krischke, Kristina Berthold, Sascha Stoll, Martin J Mueller, Roy Gross: „Nutritional Upgrading for Omnivorous Carpenter Ants by the Endosymbiont Blochmannia“, BMC Biology 2007, 5:48, doi:10.1186/1741-7007-5-48

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Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

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