Quartiersuche bei Fledermäusen

Abendsegler in einer Baumhöhle<br>Bild: Siemers/MPI für Ornithologie

Wer viel reist, kennt das: die Suche nach einem geeigneten Platz zum Übernachten. Auch für Fledermäuse stellt sich dieses Problem. Ihr Echoortungssystem, beim Beutefang äußerst erfolgreich, hilft ihnen hier nicht viel weiter – denn damit können sie quasi den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Forscher vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen, vom Säugetierforschungsinstitut der Polnischen Akademie der Wissenschaften und von der Universität Ulm haben herausgefunden, dass Rufe von Artgenossen eine wichtige Orientierungshilfe bei der Suche nach Baumhöhlen darstellen. Somit befördern sensorische Notwendigkeiten möglicherweise auch die Gemeinschaftsfähigkeit der Fledermäuse (Journal of Experimental Biology, 15. Oktober 2007).

Fledermäuse sind sehr mobil. Manche Arten fliegen von ihrem Quartier, in dem sie den Tag verschlafen, allnächtlich 20 und mehr Kilometer in ihre Jagdgebiete. Einige zeigen auch saisonales Wanderverhalten – auf der Suche nach ergiebigen Jagdgründen legen sie im Frühjahr und Herbst einige hundert, manchmal auch über tausend Kilometer zurück, wie beispielsweise der Abendsegler (Nyctalus noctula), eine unserer größten einheimischen Fledermausarten. Auf ihren Wanderungen müssen sie in völlig unbekanntem Terrain geeignete Quartierbäume mit Höhlen finden, oft sind es ausgediente Spechthöhlen.

Doch was ist ein geeignetes Quartier für einen Abendsegler? Um das herauszufinden, ist Ireneusz Ruczyñski vom Säugetierforschungsinstitut der Polnischen Akademie der Wissenschaften mit Bergsteigerausrüstung in die Urwaldriesen des Bialowieza Nationalpark im Nordosten Polens geklettert, hat Maße und Mikroklima der Fledermauswohnungen bestimmt und mit den übrigen, nicht genutzten Höhlen verglichen. Sein Fazit: Abendsegler mögen es gerne trocken und warm; ihre Höhle liegt oft um die 20 Meter über dem Boden, hat eine freie Einflugschneise und ein eher kleines Eingangsloch mit genügend „Sicherheitsabstand“ zu dem Platz im Höhlendach, an dem das Tier während der Ruhezeiten hängt, sodass Marder keine Zugriffsmöglichkeit haben.

Die Suche nach einer solchen Baumhöhle ist ein schwieriges Unterfangen. Denn Abendsegler sind schnelle, aber nicht sehr manövrierfähige Flieger, die ähnlich wie Schwalben und Mauersegler hoch am Himmel Insekten jagen. Sie können also nicht im langsamen Schwirrflug Bäume inspizieren. Und die Echoortung liefert am ansonsten echofreien Nachthimmel zwar ein klares Signal von einem potenziellen Beuteinsekt; aber ein kleines Einschlupfloch im Echowirrwarr des Waldes zu finden, ist eben nicht so einfach. In Zusammenarbeit mit Björn Siemers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und Elisabeth Kalko von der Universität Ulm hat Ruczyñski daher eine Reihe von Verhaltensexperimenten gemacht, um herauszufinden, welche Sinneskanäle die Fledermäuse bei der Suche nach Baumhöhlen nutzen.

Dabei wurden die Tiere zunächst darauf trainiert, in einem großen Flugraum mit einem Baumstamm möglichst schnell ein Eingangsloch zu einer Baumhöhle zu finden. Eine erfolgreiche Suche wurde mit Mehlwürmern belohnt (Abb. 2). In den darauffolgenden Versuchen wurde dann getestet, mit welchen Hilfestellungen sich die Suchleistung der Tiere verbessern lässt: Die Forscher boten Licht, um visuelle Orientierung zu ermöglichen; Fledermauskot in der Höhle zur geruchlichen Orientierung; Echoortungsrufe eines Artgenossen aus dem Höhleninneren (mittels Lautsprecher), um akustisch Aufmerksamkeit zu erregen, und eine leicht erhöhte Temperatur im Höhleninnern, um natürliche Verrottungswärme nachzuahmen.

Die Aufgabe erwies sich wie erwartet als schwierig. Obwohl jeweils nur ein Baumstamm im Flugraum stand, ganz anders als im Wald, fanden die Abendsegler das Einschlupfloch ohne weitere Hilfen nur in 8 Prozent der Fälle aus dem Flug heraus. Meist landeten sie auf dem Stamm und suchten zu Fuß (Video). Geruchliche und visuelle Zusatzinformationen brachten keine oder allenfalls sehr geringe Verbesserungen. Die leicht erhöhte Quartiertemperatur konnte zumindest die Suchzeit reduzieren. „Mit Abstand an deutlichsten verbessert war die Suchleistung der Fledermäuse in den Testdurchläufen, in denen Echoortungsrufe von Artgenossen aus der Höhle drangen“, sagt Björn Siemers. Unter dieser Bedingung fanden sie immerhin in 22 Prozent der Fälle den Eingang direkt aus dem Flug; in den übrigen Fällen verringerte sich die Suchzeit zu Fuß auf etwa die Hälfte gegenüber der Situation, in der die Tiere nur auf Echoinformation zurückgreifen konnten.

Die Ergebnisse zeigen, dass es für so mobile, aber nur begrenzt manövrierfähige Fledermäuse wie den Abendsegler keine triviale Aufgabe ist, neue Baumquartiere zu finden. „Unsere Experimente zeigen, dass vor allem soziale Sinnesreize, also Rufe von Artgenossen aus dem Quartier, den Fledermäusen bei der Suche helfen“, sagt Siemers. Das geht natürlich nur, wenn Artgenossen das Quartier schon kennen und nutzen. Für den Schutz von Fledermäusen und das Management von Waldbeständen bedeute dies, dass bereits in Nutzung befindliche Quartierbäume, die gewissermaßen schon auf der „mentalen Landkarte“ einiger Fledermäuse verzeichnet sind, unbedingt erhalten werden müssen, so der Biologe.

Originalveröffentlichung:

Ireneusz Ruczynski, Elisabeth K. V. Kalko and Björn M. Siemers
The sensory basis of roost finding in a forest bat, Nyctalus noctula
J Exp Biol 15. Oktober 2007

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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