Krieg der Hefen

Süßes Obst ist eine „Delikatesse“ für viele Hefepilze. Dabei kann es zu einem regelrechten Krieg um die zuckerhaltige Nahrung kommen: Manche Hefen produzieren giftige Eiweiße, so genannte Killertoxine, mit denen sie andere Hefen am Wachstum hindern oder sogar abtöten. Diesen Konkurrenzkampf nehmen Wissenschaftler des Instituts für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie unter die Lupe.

Unter der Leitung von Prof. Friedhelm Meinhardt untersuchen sie mit finanzieller Förderung der DFG in Höhe von 156.000 Euro die Waffen, mit denen die Hefen sich bekriegen – und ihre Abwehrstrategien.

„Die Produktion von Toxinen ist unter Mikroorganismen weit verbreitet.
Damit verschaffen sie sich einen Wachstumsvorteil gegenüber anderen Mikroorganismen“, erklärt Mitarbeiter Dr. Roland Klassen. Ein bekanntes Beispiel ist das antibiotisch wirkende Penicillin, das von dem Schimmelpilz Penicillium chrysogenum gebildet wird. Der Mechanismus funktioniert ähnlich wie bei den einzelligen Hefen, die das Gift nach außen abgeben, so dass es von benachbarten Zellen aufgenommen wird. Dieses Prinzip ist immer gleich, jedoch produzieren verschiedene Hefen Killertoxine mit unterschiedlicher Wirkung, die wiederum spezifische Abwehrmechanismen der Zielzellen erfordern.

Die Forscher analysieren die Mechanismen der Toxine und untersuchen, welche Schäden sie anrichten. „Wir haben kürzlich bei der Hefe Pichia acaciae ein neues Killerprotein entdeckt, das die Zellvermehrung verhindert“, so Klassen. Getestet haben die Forscher das giftige Eiweiß an einer anderen Hefe: „Wir benutzen die Bäckerhefe als Opfer“ erklärt Klassen augenzwinkernd. „Sie ist ein geeignetes Modell, da sie bereits umfassend erforscht ist.“ Das Resultat des Laborversuchs: Das Toxin verursacht DNA-Schäden und führt letztendlich zum Zelltod durch Apoptose.

Allerdings sind die „Opfer“ oft nicht völlig hilflos. Sie verfügen zum Teil über Reparaturmechanismen, die Schäden zumindest in gewissem Umfang beseitigen können. Wie diese Reparaturen funktionieren, ist bislang noch kaum erforscht – ein Grund, warum die münsterschen Wissenschaftler versuchen, Antworten auf diese Frage zu finden. Klar ist allerdings, warum die Killerhefen nicht ihrem eigenen Gift zum Opfer fallen: Sie besitzen stets den passenden Abwehrmechanismus zu dem Toxin, das sie produzieren.

„Die Killerhefen haben zusätzliche genetische Informationen. Diese so genannten linearen Plasmide liegen im Zellplasma, unabhängig von den Chromosomen des Zellkerns, und bestimmen den Aufbau der Toxine“, erklärt Meinhardt. Gleichzeitig liegt auf den linearen Plasmiden auch die Erbinformation, die den Abwehrmechanismus bestimmt. Verliert eine Killerhefe ihr Plasmid, ist sie nicht nur ungiftig, sondern kann anderen Killerhefen der gleichen Art zum Opfer fallen. „Ursprünglich stammen die linearen Plasmide wahrscheinlich vonViren ab, die in Hefezellen parasitierten. Im Lauf der Evolution wurden sie zusätzlicher Bestandteil des Genoms“, erklärt Klassen die Herkunft der ungewöhnlichen DNA der Killerhefen.

Killerhefen könnten auch von wirtschaftlichem Interesse sein. Bei der Bier- oder Weinherstellung wachsen zum Beispiel neben den eingesetzten Hefen auch manchmal unerwünschte. Durch den gezielten Einsatz von Hefestämmen mit Killertoxinen können die „falschen“ Hefen beseitigt werden. „Auch in der Medizin sind Anwendungen von speziellen Toxinen denkbar, mit denen unerwünschte Hefepilze im Körper bekämpft werden können“, wirft Klassen einen Blick in die Zukunft. Und während Wissenschaftler nach neuen Anwendungsmöglichkeiten suchen, geht der Krieg der Hefen weiter.

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