Gendiagnostik bei Herz-Kreislauferkrankungen

Defekte Gene können lebensbedrohliche Auswirkungen haben. Das gilt auch für das Marfan-Syndrom, eine erblich bedingte Erkrankung des Bindegewebes.

Das Marfan-Syndrom gehört zu den Ursachen von Gefäßerweiterungen der Hauptschlagader. Diese so genannten Aortenaneurysmen enden nicht selten mit einem Riss der Hauptschlagader (Aorta).

Ob das Marfan-Syndrom die Ursache der Gefäßerkrankung ist, kann mit einem gendiagnostischen Verfahren festgestellt werden. Zu den wenigen Institutionen weltweit, die sich auf diese Untersuchungen spezialisiert haben und sie standardisiert durchführen können, gehört das Institut für Herz-Kreislaufforschung an der Universität Witten/Herdecke.

Für die Entstehung des Marfan-Syndroms sind vor allem zwei Gene verantwortlich – oder genauer gesagt: die Defekte in zwei Genen.

Molekulargenetische Untersuchungen haben gezeigt, dass bei einer Mehrzahl der Marfan-Patienten das Fibrillin-Gen von der Norm abweicht. Fibrillin ist ein essentieller Bestandteil der elastischen Fasern des Bindegewebes und deshalb unabdingbar für die Funktion von Organsystemen und Blutgefäßen. Das zweite bekannte Marfan-Gen heißt Transforming Growth Factor Beta Receptor Type II (TGFBR2). Eine Mutation dieses Gens, das Informationen zur Herstellung einer Komponente der Zellhülle enthält, kommt schätzungsweise bei jedem zehnten Betroffenen vor.

Die Genanalyse ist sehr aufwändig, weil die Gensequenzen sehr groß sind und die defekten Stellen sehr weit verteilt sein können. Allein die Analyse des Fibrillin-Gens umfasst mehr als 10.000 „Einzelbausteine“ des Fibrillin-Bauplans. Das Institut für Herz-Kreislaufforschung arbeitet mit einem optimierten und standardisierten Verfahren, das von Dr. Stephan Waldmüller entwickelt worden ist: „Die Diagnostik ist robotorgestützt und kann in vergleichsweise hohem Durchsatz gefahren werden“, erläutert der Wissenschaftler. „Auf diese Weise können wir im Unterschied zu herkömmlichen Laborverfahren jederzeit relativ schnell ein Ergebnis liefern.“

Mit dem Wissen, dass ein Marfan-Syndrom vorliegt, lässt sich in bestimmten Fällen einem lebensgefährlichen Krankheitsverlauf bei Gefäßerweiterungen der Hauptschlagader zuvorkommen. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen der Hauptschlagader von Marfan-Patienten können frühzeitig darüber Aufschluss geben, ob eine Behandlung notwendig ist, um Schlimmeres zu verhindern. Als diagnostisches Hauptkriterium ist die molekulargenetische Diagnostik Kassenleistung. Jeder Arzt kann seine Patienten bei einem Verdacht auf die Erkrankung zu einem Humangenetiker überweisen.

Für das Familienmitglied, bei dem die Erkrankung zum ersten Mal festgestellt wird, ist die Untersuchung aufwändig und relativ teuer, weil die individuelle Genveränderung noch nicht bekannt ist. Für jedes weitere Familienmitglied verringert sich der Aufwand erheblich, weil gezielt nach der Mutation gesucht werden kann. Um das Verfahren weiter zu vereinfachen, arbeitet Dr. Waldmüller an der Entwicklung von Genchips, die in den nächsten Jahren die Labordiagnostik deutlich verändern werden.

Das Institut für Herz- Kreislaufforschung beschäftigt sich nicht nur mit der Entwicklung diagnostischer Verfahren, sondern versucht in enger Zusammenarbeit mit großen Herzzentren, die genetischen Grundlagen des Marfan-Syndroms in Bezug auf Aortenaneurysmen zu charakterisieren und zu verstehen. „Langfristig sind wir daran interessiert, Aussagen über den individuellen Krankheitsverlauf machen zu können“, so Dr. Waldmüller. „Es gibt bereits erste Hinweise für den prognostischen Wert der Diagnostik.“

Das Institut für Herz- Kreislaufforschung an der Universität Witten/Herdecke gehört zu einem Forschungsverbund mit vier hoch spezialisierten Herzzentren in Dortmund, Duisburg, Wuppertal und Osnabrück-Bad Rothenfelde sowie vier Kliniken der Maximalversorgung mit kardiologischen Fachabteilungen. Bei der molekulargenetischen Diagnostik der Gene, deren Mutationen ursächlich für das Marfan-Syndrom sind, kooperiert das Institut mit der Humangenetik der Ruhr-Universität Bochum.

Weitere Informationen:
Dr. Thomas Scheffold, Leiter des Instituts für Herz- Kreislaufforschung
Tel.: 0231 / 974261-50, info@herz-kreislaufforschung.de

Media Contact

Bernd Frye Uni Witten/Herdecke

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer