Schlüssel-Enzym für die Synthese von vielen Pflanzenwirkstoffen aufgedeckt

Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist es gelungen, ein für die Arzneistoffherstellung wichtiges Enzym aufzuschlüsseln und gezielt zu verändern, sodass es wesentlich vielfältiger als bisher eingesetzt werden kann.

„Die Strictosidin-Synthase ist ein pflanzliches Enzym, das in der Familie der Hundsgiftgewächse vorkommt und das den ersten Schritt zur Herstellung zahlreicher Alkaloide steuert“, erklärt Elke Loris, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pharmazie. „Das Enzym ist damit der Dreh- und Angelpunkt für die Biosynthese einer ganzen Gruppe wichtiger Pflanzenwirkstoffe wie beispielsweise Chinin, Vincristin oder Vinblastin.“

Bislang ließ sich der Prozess, der in Pflanzen ganz natürlich abläuft, auf synthetischem Weg nur schwierig nachbilden. Die Arbeiten zur Strukturaufklärung der Strictosidin-Synthase und ihrem gezielten Umbau wurden in der aktuellen Ausgabe des amerikanischen Fachjournals Chemistry & Biology veröffentlicht (Chem. Biol., Vol. 14, 979-985).

Das Enzym Strictosidin-Synthase bildet in einer sogenannten Pictet-Spengler-Reaktion den Stoff Strictosidin und wirkt dabei als Bio-Katalysator. Strictosidin ist der Vorläufer von rund 2000 Indol-Alkaloiden, aus deren Familie so bedeutende Arzneistoffe wie die bei Krebserkrankungen eingesetzten Chemotherapeutika Vincristin und Vinblastin oder das immer noch aktuelle Chinin zur Behandlung von Malaria stammen. Die Alkaloide dieser Familie sind im Hinblick auf ihre chemische Struktur sehr komplex und können nur spärlich aus Pflanzen extrahiert und isoliert werden. „Trotzdem war es bisher immer noch effizienter, die Substanzen aus natürlichen Quellen zu gewinnen, anstatt sie vollständig zu synthetisieren“, erklärt Loris. „Unser Interesse ist es daher, gerade für pharmazeutisch wichtige Alkaloide neue Produktionsmethoden zu entwickeln. Darüber hinaus hoffen wir auch, dass durch Abwandlung der enzymatischen Synthese ganz neuartige Alkaloid-Abkömmlinge gewonnen werden können und dass daraus eine große Anzahl medizinisch wertvoller Verbindungen hervorgeht.“

Das Problem mit der Strictosidin-Synthase bestand für Loris vor allem darin, dass das Enzym sehr wählerisch ist, was seine Reaktionspartner angeht. Eine systematische Erforschung ergab, dass nur wenige Substanzen enzymatisch umgesetzt werden und diese auch nur mit relativ geringer Ausbeute. „Wir haben es aber geschafft, das Enzym so zu verändern, dass es auch andere Substanzen akzeptiert.“ Dazu hat das Team um Univ.-Prof. Dr. Joachim Stöckigt zunächst die Kristallstruktur des Enzyms aufgeklärt. In Zusammenarbeit mit Dr. Santosh Panjikar vom Deutschen Elektronensynchrotron DESY in Hamburg ist es gelungen, das aktive Zentrum zu identifizieren, also die Stelle, an der exakt die enzymkatalysierte Reaktion abläuft.

Die nun veröffentlichte Arbeit vervollständigt das Bild der Strictosidin-Synthase und liefert somit wertvolle Informationen zur molekularen Architektur des aktiven Zentrums. „Mit diesem Wissen konnte ich jetzt Mutanten bauen, die Substanzen akzeptieren, die der Wildtyp des Enzyms nicht umsetzt“, erläutert die Forscherin. Die so gewonnenen „unnatürlichen“ Strictosidine sollen nicht nur auf ihre pharmakologische Aktivität getestet werden, sondern dienen auch als Ausgangsmaterial für weitere chemische Veränderungen. Mit dem „biomimetischen“ Ansatz, der die enzymatische Reaktion mit verschiedenen chemischen Abwandlungen verbindet, skizziert die Wissenschaftlerin in ihrer Doktorarbeit einen neuen Weg, um große Alkaloid-Bibliotheken für künftige pharmakologische Screenings zu erstellen – und somit vielleicht für zahlreiche Krankheiten schneller wirkungsvolle Medikamente entwickeln zu können. In Zusammenarbeit mit der Gruppe um Prof. Sarah O'Connor vom Department of Organic Chemistry am renommierten Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, wollen Loris und ihre Kollegen aber zunächst die molekularen Details des Enzymmechanismus aufklären. Die Arbeiten hierfür könnten noch dieses Jahr abgeschlossen werden.

Kontakt und Informationen:
Elke A. Loris, Apothekerin
Institut für Pharmazie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-24237
E-Mail: eloris@uni-mainz.de

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Petra Giegerich idw

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