Moose geben Aufschluss über die ökologische Stabilität der Regenwälder

Die phylogenetische Entwicklung einer speziellen Gruppe von Moosen, die vor rund 100 Millionen Jahren entstanden ist und heute vor allem tropische Regenwälder besiedelt, haben jetzt Wissenschaftler aus Göttingen und London (Großbritannien) entschlüsselt: Ihnen ist es gelungen, mit Hilfe molekularer Analysen einen umfangreichen Stammbaum der Familie der Lejeuneaceae zu erstellen.

„Die nun vorliegenden Informationen zu Artbildungsraten und Zeiträumen der Diversifikation dieser Pflanzengruppe können einen wichtigen Beitrag sowohl zur aktuellen Klimadiskussion als auch zur Einschätzung der ökologischen Stabilität unserer heutigen Regenwälder liefern“, betont Dr. Jochen Heinrichs, der an der Abteilung Systematische Botanik der Georg-August-Universität lehrt und forscht. Die Ergebnisse der in Zusammenarbeit mit dem Natural History Museum London durchgeführten Forschungsarbeiten wurden in den „Biology Letters“ veröffentlicht.

Tropische Regenwälder beherbergen den größten Teil der auf der Erde wachsenden Pflanzen, zu denen auch die so genannten Lebermoose als vermutlich älteste lebende Landpflanzen gehören. Unter den Lebermoosen tritt besonders die Familie der Lejeuneaceae in den Vordergrund. Mit weltweit etwa 1.000 Arten ist sie ein wesentlicher Teil in der Pflanzenwelt der Regenwälder. Die verschiedenen Moos-Arten wachsen einerseits als Aufsitzerpflanzen auf der Borke von Bäumen und Sträuchern, andererseits als sogenannte „Epiphylle“ direkt auf ihren Blättern. Einige Vertreter der Lejeuneaceae sind als Bernstein-Einschlüsse aus dem Frühtertiär des Baltikums vor rund 50 Millionen Jahren und dem Miozän des tropischen Amerikas vor rund 15 Millionen Jahren bekannt. Um die stammesgeschichtliche Entwicklung der Lejeuneaceae nachzuzeichnen, haben die Wissenschaftler die DNS-Sequenzen zahlreicher Arten dieser Pflanzengruppe analysiert.

Wie die Göttinger Wissenschaftlerin Rosemary Wilson erläutert, konnte über die Variation der Sequenzen und des Alters der jeweils untersuchten Fossilien ein Chronogramm erstellt werden, das die Aufspaltung in verschiedene Arten innerhalb der Lejeuneaceae in einen zeitlichen Rahmen stellt. Danach geht die Entstehung der heutigen Diversität der Lejeuneaceae auf die Späte Kreidezeit zurück. „Nach unseren Rekonstruktionen kam es seither zu einer bemerkenswert stetigen Zunahme von Diversität durch die Zeit“, so Dr. Heinrichs. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die Artenvielfalt der Lejeuneaceae von den Klimaänderungen während der letzten hundert Millionen Jahre wenig beeinflusst worden ist und die Tropen ein „Museum“ für diese Pflanzengruppe darstellen. Nach den Worten von Dr. Heinrichs legen die Forschungsergebnisse außerdem nahe, dass die Lejeuneaceae in den Tropen entstanden sind und von dort die gemäßigten Breiten, etwa Europa, besiedelt haben.

Originalveröffentlichung
Wilson, R., Heinrichs, J., Hentschel, J., Gradstein, S. R. & Schneider, H.: Steady diversification of derived liverworts under Tertiary climatic fluctuations. Biology Letters (doi:10.1098/rsbl.2007.0287).
Kontaktadressen:
Rosemary Wilson
Dr. Jochen Heinrichs
Georg-August-Universität Göttingen
Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften
Abteilung Systematische Botanik
Untere Karspüle 2, 37073 Göttingen
Tel. (0551) 39-2269 oder 39-2220
e-mail: rwilson@uni-goettingen.de
jheinri@uni-goettingen.de

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Marietta Fuhrmann-Koch idw

Weitere Informationen:

http://www.sysbot.uni-goettingen.de

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