Elternkonflikte bei Pflanzen – weibliches Wachstums-Gen setzt sich durch

Dass es rund um die Fortpflanzung zu erheblichen Konflikten zwischen weiblichen und männlichen Interessen kommen kann, ist bekannt. Weniger bekannt dagegen ist, dass sich dieser Konflikt bereits auf genetischer Ebene abspielt. Vater und Mutter vererben je einen kompletten Satz Gene an ihre Nachkommenschaft. Wir besitzen also von jedem Gen zwei Kopien, die in der Regel beide gleich aktiv sind. Die Ausnahme bilden eine kleine Gruppe wachstumsregulierender Gene, bei denen entweder nur die väterliche oder die mütterliche Kopie aktiv ist. Solche Gene nennt man genetisch geprägte Gene.

Diese erlauben Vater und Mutter, ihre unterschiedlichen Interessen über die Befruchtung der Eizelle hinaus mit geprägten Genen durchsetzen zu können. Väter möchten möglichst grosse, schwere Nachkommen, da diese bessere Überlebenschancen haben; deshalb aktivieren Väter Gene, die das Wachstum des Embryos auf Kosten der Mutter fördern. Mütter dagegen müssen mit ihren Ressourcen haushälterisch umgehen, um sie auf mehrere Nachkommen verteilen zu können; deshalb aktivieren Mütter Gene, die das Wachstum des Embryos limitieren. Eine solche Situation wird in der Biologie als genetischer Elternkonflikt bezeichnet. Bislang wurde vermutet, dass elterliche Konflikte zur genetischen Prägung von wachstumsregulierenden Genen führen. Sind geprägte Gene von einer Mutation betroffen, ergeben sich ungewohnte, elternabhängige Vererbungsmuster, die die Grösse der Nachkommenschaft beeinflussen (siehe Bild).

Weibliches Wachstums-Gen setzt sich durch

Ein Zürcher Forscherteam hat nun erstmals eine Rolle des Elternkonflikts in der Evolution der ge-netischen Prägung nachgewiesen und im Wissenschaftsmagazin „Nature“ publiziert. Ueli Grossniklaus, Professor für Pflanzenentwicklungsgenetik an der Universität Zürich, untersuchte mit seinem Team das so genannte Medea-Gen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), dem bevorzugten Objekt der Pflanzenbiologen. Bisher ging man davon aus, dass es sich bei Medea um ein sehr altes, ursprüngliches Gen handelt.

Grossniklaus und sein Team fanden heraus, dass das Medea-Gen erst spät in der Evolutionsgeschichte vor rund 35 bis 85 Millionen Jahren entstanden ist. Am Anfang der Entwicklung von Medea steht die Verdoppelung einer genomischen Region, die etwa vierzig Gene enthält. „Durch diese Verdoppelung sind freie Ressourcen für genetische Veränderungen entstanden“, erklärt Prof. Grossniklaus. Im Lauf seiner Entwicklung hat das Medea-Gen eine neue Funktion erworben: Es steuert unter anderem das Wachstum des Nährgewebes für die Embryonen.

In Übereinstimmung mit der Elternkonflikt-Hypothese wurde das wachstumsregulierende Medea-Gen der genetischen Prägung unterworfen. Die Vorläufergene von Medea dagegen haben ihre angestammte Funktion behalten und sind normal reguliert, also genetisch nicht geprägt. Beim geprägten Medea-Gen ist nur das mütterliche Medea-Gen aktiv, das väterliche ist stillgelegt. „Der väterliche Einfluss für das Wachstum der Embryonen ist ausgeschaltet worden“, erläutert Grossniklaus das Resultat. „Das mütterliche Genom hat das Sagen. Es steuert diesen Entwicklungsprozess.“

Elternkonflikt führte zu evolutionärem Wettrennen

In Zusammenarbeit mit Kollegen aus Irland und Deutschland gelang es der Zürcher Forschungsgruppe weiter, die Entstehungsgeschichte des Medea-Gens zu entschlüsseln. Die natürliche Darwin'sche Selektion hinterlässt in den DNA-Sequenzen ihre Spuren, so dass aus der statistischen Analyse von Medea-Sequenzen verschiedener Arten Schlüsse über die Evolutionsgeschichte von Medea gezogen werden können. Es zeigt sich nun, dass sich das Medea-Gen nach seiner Entstehung schnell veränderte und positiv selektioniert wurde, wie dies von der Elternkonflikt-Hypothese vorausgesagt wird. Dies legen die Sequenzanalysen des Medea-Gens in mehreren Populationen von Arabidopsis thaliana und der eng verwandten Arabidopsis lyrata nahe.

Die Vorfahren dieser beiden Arabidopsisarten pflanzten sich nur durch Auskreuzen fort. Bei Arabidopsis lyrata ist dies immer noch der Fall. Dort sind die Spuren der Selektion gut sichtbar. Arabidopsis thaliana dagegen bestäubt sich selbst und kennt deshalb auch keinen Elternkonflikt. Dort weist das Medea-Gen nur wenige Veränderungen auf. „Der genetische Elternkonflikt hat die Evolution des Medea-Gens vorangetrieben“, fasst Ueli Grossniklaus das evolutionäre Wettrennen bei der auskreuzenden Arabidopsis Art zusammen.

Kontakte:
Ueli Grossniklaus, Professor für Pflanzenentwicklungsgenetik, Institut für Pflanzenbiologie, Universität Zürich
Tel. +41 44 634 82 40 (erreichbar zwischen 16:00 und 18:00 Uhr)
E-Mail: grossnik@botinst.uzh.ch.
Dr. Hanspeter Schöb, Institut für Pflanzenbiologie, Universität Zürich
Tel. +41 44 634 82 96
E-Mail: hschoeb@botinst.uzh.ch

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Beat Müller idw

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