Entschlüsselung der Proteine vom Gehirn der Maus gelungen

„Die wahren Akteure der Zelle sind nicht ihre Gene sondern die Proteine, die von den Genen kodiert werden“, sagt Professor Joachim Klose vom „Institut für Humangenetik“ der Charité. Die Funktionen der Zelle erschließen sich erst, wenn man ihre Proteine kennt. Klose und seiner Arbeitsgruppe ist es erstmals gelungen, die Gesamtheit der Proteine (das sogenannte Proteom) vom Gehirn eines Säugetieres, nämlich der Maus, an Hand zweier Stämme zu bestimmen und damit zu vergleichen.
Die Ergebnisse des Mammutprojektes wurden soeben online veröffentlicht und erscheinen in der Aprilausgabe der angesehenen Fachzeitschrift „Nature Genetics“. Voraussetzung der Proteom-Entschlüsselung war ein von Klose schon 1975 entwickeltes und bis heute stetig erweitertes Verfahren, die sogenannte zweidimensionale Gel-Elektrophorese. Mit ihr lässt sich die Gesamtmenge der Proteine einer Zelle auf einmal aufarbeiten. Das Verfahren trennt aus der Gesamtheit die einzelnen Proteine heraus auf Grund von deren „Körperlichkeit“ (Größe, Masse, Form) und elektrischer Ladung, wovon ihre Wanderung im gel-elektrischen Feld bestimmt wird. Zusätzlich hat Kloses Arbeitsgruppe die Gel-Elektrophorese mit weiteren Verfahren zur Identifizierung der Proteine kombiniert (Immunoblot, Färbemethoden, Massenspektrometrie).
Als überraschend hoch stellte sich dann die Variationshäufigkeit unter jenen Proteinen heraus, von denen anzunehmen ist, dass sie einen Einfluss auf die Entwicklung von Krankheiten nehmen können. 1.324 der 8.767 Proteine in den beiden Mäusestämmen unterschieden sich in oft erheblichem Maße von einander. Das heißt: Trotzt gleicher genetischer Ausstattung der Gehirnzellen weichen die Genprodukte, die Proteine, auffallend von einander ab. Generell haben solche Unterschiede einen starken Einfluss auf die Frage, in welcher Stärke sich Erbkrankheiten bei einzelnen Individuen auswirken .

Außerdem, das hat Klose schon vor Jahren an Untersuchungen von Mäuseembryos gezeigt, verändert sich mit der Entwicklung des Organismus auch vielfach die Konfiguration der Zellproteine. Ein verändertes Protein nimmt aber auch eine veränderte Funktion in der Zelle wahr. Hier liegt ein Schlüssel zu vielen Fragen der Entwicklungsbiologie oder auch der Wirksamkeit/Unwirksamkeit von Medikamenten in verschiedenen Lebensaltern.
Überraschender noch erscheint die Erkenntnis von Klose und seinen Mitarbeitern, dass an der Konstruktion des Endproduktes „Protein“ mehrere Gene beteiligt sein können. Auch dies macht das Verständnis der Zellfunktionen schwieriger als bisher gedacht. So kann man nicht von der Existenz eines Proteins ohne Weiteres auf die Funktion eines Gens rückschließen. Dennoch erleichtert die Analyse des Proteoms den Einblick in die Funktion unserer Gene.

Neue Erkenntnisse auf diesen Gebieten sind sowohl für die medizinische Wissenschaft als auch für die Pharmaindustrie von großem Interesse. Kennt man nämlich krankmachende Variationen der Proteine, so lassen sich auch passende Substanzen dagegen entwickeln.

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Dr. med. Silvia Schattenfroh idw

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