Vögel können von anderen Spezies lernen, finden Forscher heraus

In ihrem Artikel in der Fachzeitschrift Current Biologie beschreiben Janne-Tuomas Seppänen von der Universität Jyväskylä und Jukka Forsman von der Universität Uppsala, wie weibliche Fliegenschnäpper Nistkästen auswählen, die denen ähneln, die von Kohl- und Blaumeisen bereits bewohnt werden.

Die Forscher hatten die Idee zu ihrem Experiment, als sie eines morgens nach Nistkästen in einem dunklen Wald suchten. Sie stellten fest, dass es einfacher sei, die Nistkästen zu erkennen, wenn sie auf irgendeine Weise auffällig markiert sind, und sie fragten sich, ob diese Markierung das Verhalten der Vögel beeinflussen würde. Frühere Forschungen hatten bereits gezeigt, dass Fliegenschnäpper bei der Auswahl eines Brutplatzes sowohl die Wahl anderer Fliegenschnäpper als auch von Meisen berücksichtigten.

„Tiere sind nicht bloß darauf programmiert, sich auf eine festgelegte Weise zu verhalten, sondern sie verwenden Informationen und treffen Entscheidungen“, erklärte Seppänen. „Aber am wichtigsten ist, dass einzelne Tiere in Gemeinschaften leben und voneinander lernen können, auch von anderen Spezies“.

Fliegenschnäpper und Meisen haben viele Gemeinsamkeiten: sie ernähren sich von ähnlichen Dingen und mögen dieselben Brutplätze. Das bedeutet, dass sie oft um die Ressourcen konkurrieren. Aber während die Meisen das ganze Jahr über am selben Platz bleiben, erreichen die Fliegenschnäpper als Zugvögel ihre Brutplätze nicht vor dem Frühjahr, wenn die Meisen bereits mit der Aufzucht ihrer Brut beschäftigt sind.

Da sie das ganze Jahr über bleiben, kennen sich die Meisen vor Ort wahrscheinlich besser aus als die Fliegenschnäpper. Anhand dieser Informationen fragten sich die Forscher, ob die neu ankommenden Fliegenschnäpper die Meisen beobachten würden, um Informationen darüber zu bekommen, wo gute Nistplätze sind.

Zur Überprüfung ihrer Theorie besuchten die Forscher zwei Brutplätze, nachdem die Meisen bereits mit dem Brüten begonnen hatten, aber noch vor der Ankunft der Fliegenschnäpper. Sie befestigten Aufkleber mit einem bestimmten geometrischen Symbol auf Nistkästen, in denen Meisen wohnten, und ein anderes Symbol auf leeren Nistkästen in der Nähe. Damit wurde der Eindruck geschaffen, dass alle Meisen sich für Nistkästen entschieden hatten, die auf dieselbe Weise markiert waren.

Als die Fliegenschnäpper am Brutplatz ankamen, standen sie vor der Wahl: Sie konnten entweder einen Nistkasten auswählen, der in gleicher Weise wie die der benachbarten Meisen markiert war, oder einen mit einer anderen Markierung.

Die Fliegenschnäpper, die sehr früh in der Brutzeit angekommen waren, zeigten kaum Interesse daran, die Meisen nachzuahmen. Aber je weiter die Brutzeit fortschritt, umso mehr Fliegenschnäpper wählten Nester aus, die genauso markiert waren, wie die Meisennester. Unter dem letzten Drittel der ankommenden weiblichen Fliegenschnäpper entschieden sich 75% für diese Nester.

Ein Grund für dieses Ergebnis könnte der Altersunterschied zwischen den ersten und den letzten ankommenden Vögeln sein. „Die früh ankommenden Vögel sind meist älter, sie sind erfolgreicher durch frühere Bruterfahrung“, erklären die Forscher in ihrem Artikel. „Damit haben sie vielleicht ein größeres und besseres persönliches 'Wissen' über das Brüten im Allgemeinen und über den bestimmten Standort.“

Ein weiterer Grund könnte der Zeitfaktor sein: Der Bruterfolg der Fliegenschnäpper sinkt, je später in der Saison sie ihre Eier legen. Während früh ankommende Vögel die Zeit haben, bei ihrer Jagd nach guten Nistplätzen mehrere Informationen zu berücksichtigen, stehen spät ankommende Vögel unter dem großen Druck, schnell einen Nistplatz finden zu müssen.

„Später ankommende Vögel, unter denen sich mehr jüngere und unerfahrene Vögel befinden, stehen vor geringeren Bruterfolgschancen und einer höheren Konkurrenz bei den Nistplätzen. Sie müssen das Beste aus der Situation machen, indem sie blind der Wahl anderer folgen, die ein größeres Wissen haben“, schreiben die Forscher.

„Konventionelle Theorien über die Koexistenz von Spezies sehen voraus, dass Überlappungen bei der Ressourcennutzung zwischen verschiedenen Spezies zu Belastungen und Divergenz von Nischen führen“, erklärte Seppänen. „Aber unsere Ergebnisse legen dar, dass, wenn die Informationen, die einer anderen Spezies gehört – selbst wenn es sich um einen starken Konkurrenten handelt – wertvoll genug ist, die Nutzung von Arten übergreifenden sozialen Informationen und insbesondere soziales Lernen zu einem verstärkten gemeinsamen Auftreten, zu Nähe und Überschneidung der Nischen zwischen den Spezies führen können.“

Die Forschungsarbeit wurde über ein innereuropäisches Stipendium aus dem Marie-Curie-Programm finanziert.

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CORDIS Pressedienst

Weitere Informationen:

http://www.current-biology.com/

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