Neue Erkenntnisse über den programmierten Zelltod

Die abgebildeten Kanäle erlauben den Ionentransport durch die Membran und spielen eine entscheidende Rolle beim programmierten Zelltod (Apoptose). Die Kanäle sind daher ein wichtiges Angriffsziel für neuartige Medikamente beispielsweise gegen Autoimmunerkrankungen, neurodegenerative Krankheiten oder Krebs. Die Resultate der Basler Nanowissenschaftler werden heute (6. Juli 2007) mit Titelbild in der Fachzeitschrift „Journal of Molecular Biology“ veröffentlicht.

Eine biologische Zelle enthält verschiedene Bereiche, die durch Membranen voneinander getrennt sind. Damit trotz dieser räumlichen Trennung Ionen und Moleküle ausgetauscht werden können, gibt es Kanäle, die den Fluss kleiner Teilchen durch Membranen erlauben. Auch die „Kraftwerke“ der Zelle, die Mitochondrien, sind von einer Doppelmembran vom Zellinneren getrennt. Die Mitochondrien spielen neben ihrer Rolle als Energielieferant der Zelle eine entscheidende Rolle beim programmierten Zelltod, der Apoptose. Treten bestimmte Proteine aus den Mitochondrien in das Zellinnere aus, werden „Killer-Proteine“ aktiviert, die zum Absterben der gesamten Zelle führen, ohne benachbarte Zellen zu schädigen. Ein derartiger Mechanismus ist beispielsweise in der Embryonalentwicklung wichtig. Der programmierte Zelltod könnte dem Körper aber auch erlauben, sich gegen die Ausbreitung von Krebszellen zu schützen.

Die Basler Wissenschaftler in der Gruppe von Prof. Andreas Engel haben äussere mitochondriale Membranen isoliert und diese mit Hilfe hoch entwickelter Rasterkraftmikroskopie abgebildet. Sie konnten zeigen, dass in diesen Membranen Kanäle zum Transport von Ionen und Molekülen einzeln und in Gruppierungen existieren. Aufgrund ihrer Form und Grösse wurden sie als spannungsabhängige Anionenkanäle (Voltage Dependent Anion Channels = VDACs) identifiziert. Die Ergebnisse sind besonders aussagekräftig, weil die rasterkraftmikroskopischen Bilder unter physiologisch relevanten Bedingungen und ohne chemische Modifizierung erzielt wurden.

Es ist bis jetzt unklar, wie solche Proteine durch die Mitochondrienmembran in das Zellinnere freigegeben werden. Sicher ist, dass VDACs bei diesem Prozess eine wichtige Rolle spielen. Erstaunlicherweise sind diese Kanäle aber eigentlich zu eng, um den apoptotischen Proteinen den Weg aus dem Mitochondrium zu erlauben. Verschiedene Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass mehrere Kanäle zusammen eine grössere Öffnung in der Membran bilden könnten. Es wird vermutet, dass molekulare Reize eine Neuanordnung dieser VDACs zu einer grossen zentralen Pore induzieren, um so den Transport von bestimmten Proteinen aus den Mitochondrien in das Zellinnere zu ermöglichen. Durch diese Proteine wird die Kette von Reaktionen ausgelöst, die zum Absterben der gesamten Zelle führen. Diese Kanäle in einer intakten nativen Mitochondrienmembran hoch aufgelöst abzubilden, ist somit ein erster Schritt, dem Verständnis des programmierten Zelltodes und damit der Entwicklung neuer Medikamente näherzukommen.

„Diese neuesten Ergebnisse über Mitochondrienmembranen zeigen das Potenzial der Nanowissenschaften, molekularbiologische Prozesse besser zu verstehen. Langfristig werden uns solche Erkenntnisse helfen, neue und bessere Medikamente zu entwickeln, die ganz gezielt im Organismus wirken“, kommentiert Prof. Andreas Engel den Erfolg seiner jüngeren Kollegen Dr. Bart Hoogenboom und PD Dr. Dimitrios Fotiadis.

Das Swiss Nanoscience Institute (SNI) geht aus dem Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) Nanowissenschaften hervor und bildet einen universitären Forschungsschwerpunkt an der Universität Basel. Im SNI wird grundlagenwissenschaftliche mit anwendungsorientierter Forschung verknüpft. Innerhalb verschiedener Projekte beschäftigen sich die Forschenden mit Strukturen im Nanometerbereich. Sie möchten Impulse für Lebenswissenschaften, Nachhaltigkeit, Informations- und Kommunikationstechnologie geben. Die Universität Basel fungiert als Leading House und koordiniert das NFS-Netzwerk aus Hochschul- und Forschungsinstituten und Industriepartnern, das vom Schweizerischen Nationalfonds im Auftrag des Bundes durchgeführt wird, sowie das vom Kanton Aargau finanzierte Argovia-Netzwerk. Mit Gründung des SNI sichert sich die Universität Basel ihre international anerkannte Stellung als Exzellenzzentrum für Nanowissenschaften.

Weitere Auskünfte:

Dr. Bart Hoogenboom, Institut für Physik der Universität Basel, Klingelbergstrasse 82, 4056 Basel, Tel. 0041 061 267 3796 / 22 58, E-Mail: Bart.Hoogenboom@unibas.ch

PD Dr. Dimitrios Fotiadis, M. E. Müller Institut, Biozentrum der Universität Basel, Klingelbergstrasse 70, 4056 Basel, Tel. 0041 061 267 09 49, E-Mail: Dimitrios.Fotiadis@unibas.ch

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Christoph Dieffenbacher idw

Weitere Informationen:

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