Hefezellen sollen Sprengstoff erschnüffeln

Tiere vom Fadenwurm bis zum Menschen nehmen ihre chemische Umwelt über spezielle Riechrezeptoren wahr. Vereinfacht gesagt binden dabei Stoffmoleküle an einen genau passenden Riechrezeptor, was eine ganze Signalkette ablaufen lässt. Die Molekülbindung wird in ein elektrisches Signal umgewandelt, das über die Nerven ins Gehirn gelangt, wo die Geruchsempfindung ausgelöst wird.

Viele Tiere haben ein feineres Gespür für Gerüche als der Mensch, zum Beispiel die Ratte. US-amerikanischen Wissenschaftlern von der Temple University School of Medicine in Philadelphia ist es nun unter Mitarbeit von Dr. Tassula Proikas-Cezanne vom Interfakultären Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen gelungen, eine Genbank von solchen Riechrezeptoren der Ratte und einen Teil des Signalwegs in Zellen der Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) einzusetzen.

In dem Einzeller, der schließlich auch kein Gehirn hat, wurde der Signalweg einfach mit einem Protein verbunden, das bei Anregung grün fluoreszierendes Licht ausstrahlt. Dann suchten die Wissenschaftler nach Rezeptoren, die chemische Waffen detektieren können. Hierbei identifizierten sie Olfr226, einen neuartigen Rattenrezeptor, der den Sprengstoff Dinitrotoluol riechen kann.

Bringt man diesen Stoff an die Hefezellen heran und beobachtet das Ganze unter dem Mikroskop, dann gibt es ein grünes Leuchten. Die Forschungsergebnisse wurden von der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology vorab online veröffentlicht (Nature Chemical Biology vom 7. Mai 2007, doi:10.1038/nchembio882)

„Zunächst hatten wir das Verfahren mit Riechrezeptoren getestet, die schon genau beschrieben waren. Der eine konnte zum Beispiel Vanille riechen“, erklärt Tassula Proikas-Cezanne. Die Bäckerhefe wurde auch deswegen für die Versuche verwendet, weil sich die Forscher mit ihrem Genom gut auskennen, es ist eine Art Modellorganismus. Die Methode, den Hefezellen die Gene für einen Riechrezeptor einzusetzen, lässt sich nun sowohl nutzen, wenn schon bekannt ist, welche Stoffe ein Rezeptor bindet, als auch, wenn man die Hefezellen erst nach Einbau eines solchen Rezeptors an verschiedenen Stoffen schnüffeln lässt. Auf diesem Weg lässt sich der Rezeptor klassifizieren. „Die Idee dahinter ist, das Verfahren so weiter zu entwickeln, dass man die Hefezellen auf einen Träger aufbringt und sie in einem Detektionsgerät nutzen kann, das viele Gerüche erkennt“, sagt Tassula Proikas-Cezanne. Möglicherweise könne man auch überlegen, in einem weiteren Schritt ein zellfreies System zu entwickeln, das nur die Komponenten des Riechvorgangs enthalte. Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich zum Beispiel in der Sprengstoff- und Drogensuche.

Nähere Informationen:
Dr. Tassula Proikas-Cezanne
Interfakultäres Institut für Zellbiologie
Auf der Morgenstelle 15
72076 Tübingen
Tel. 0 70 71/2 97 88 95
Fax 0 70 71/29 53 59
E-Mail: tassula.proikas-cezanne [at] uni-tuebingen.de

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Michael Seifert idw

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