Das Geheimnis der Fischembryonen

Forschen bei 'Windstärke 9' und fünf Meter hohen Wellen – eine besondere Herausforderung für Studierende am Campus Jülich der FH Aachen. Die Nachwuchswissenschaftler und ihr Professor wurden auf dem Fischereiforschungsschiff Walther Herwig III ordentlich durchgeschüttelt.

Nun sind die Nachwuchsforscher wieder wohlbehalten von ihrer dreiwöchigen Exkursion auf der Nordsee zurück an den Campus gekehrt. „Es war schon problematisch, sich auf die Schaukelei einzustellen“, berichtet Judith Niesen, angehende Bioingenieurin im sechsten Semester, „wenn das Schiff im Hafen liegt, kann man sich nicht vorstellen, dass ein so großes Schiff derartig gewaltige Bewegungen macht, wie wir sie erlebt haben, ganz anders als beim Segeln.“ 64m lang und knapp 15m breit ist das deutsche Fischereiforschungsschiff der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) und bietet Platz für zwölf Wissenschaftler sowie 21 Mann Besatzung. Die Walther Herwig III operiert vor allem in Nord- und Ostsee. Dies war die insgesamt 297. Reise des 1993 in Dienst gestellten Forschungsschiffes unter Leitung des Instituts für Fischereiökologie der Bundesanstalt für Fischerei in Hamburg. Eine besondere Herausforderung auf der schwimmenden Forschungsstation ist, dass man aufgrund des mitunter heftigen Seegangs alle Instrumente befestigen muss.

Nichts lässt sich einfach hinlegen, denn es fiele herunter – bei Glasgeräten und teuren Laborgeräten mit fatalen Folgen. Mikroskope, Zentrifugen, Filtriergestelle, Computer, alles wird auf See gelascht (seemännisch für „angebunden“); eine große Kiste nur mit Befestigungsmaterial gehört daher zur Grundausrüstung der Jülicher Gruppe. „In unserer Werkstatt haben sie mich damals ungläubig angesehen, als ich mit meinem Anliegen kam, Tischplatten mit Klemmleisten und Metallbügeln für die Fixierung von Laborgeräten zu konstruieren“, schmunzelt Prof. Baumann, der bereits viele auch mehrmonatige Expeditionen auf See hinter sich hat, etwa in die Grönlandsee, den Atlantik, den Indischen Ozean und das antarktische Weddellmeer.

Inzwischen werden die Konstruktionen der Jülicher Werkstatt auch von erfahrenen Seehasen anderer Forschergruppen von der Küste bewundert. „Die Befestigung des fast 60.000 € teuren Mikroskops hat immerhin schon Stürmen bis 'Windstärke 11' bei schwerstem Seegang standgehalten,“ erzählt Prof. Baumann nicht ohne Stolz.

Das primäre Forschungsinteresse dieser Fahrt war, die Häufigkeit und Verbreitung von Missbildungen bei Fischembryonen zu erfassen. Besonders im Hinblick auf die drohende Überfischung der Meere steht die Gesundheit der Nachwuchs der Meeresbewohner im Zentrum der Aufmerksamkeit der Forscher.

Die Embryonen, die im März schlüpfen, schwimmen an der Oberfläche, damit sie in der beginnenden Frühjahrsblüte genug Nahrung finden, um sich zu entwickeln. Dabei sind sie verschiedensten – auch schädlichen – Einflüssen ausgesetzt, die ihre Entwicklung beeinträchtigen oder sogar verhindern können. „Hinsichtlich der biologischen Einflüsse ist die Rolle von Bakterien bisher nicht erforscht worden. Daher war das Hauptaugenmerk der Untersuchungen der Jülicher darauf gerichtet, mithilfe von molekularbiologischen Methoden, wie sie auch in der Forensik beim DNA-Nachweis verwendet werden, die Bakterienarten im Wasser, auf den Embryonen und auf Fischen zu erfassen“, erklärt Prof. Marcus Baumann vom Fachbereich Angewandte Naturwissenschaft und Technik das Vorgehen an Bord.

Die mit einem speziellen Planktonnetz gefangenen Fischembryonen sowie Planktonorganismen werden mikroskopisch untersucht bzw. photographisch dokumentiert. Dabei werden Aussehen, Entwicklungsstadium und die jeweilige Fischart registriert. In diesem Jahr waren kaum Missbildungen zu verzeichnen, die Embryonen waren für die Jahreszeit gesehen bereits weit entwickelt, ein Phänomen, welches auch für das pflanzliche Plankton gilt. Chlorophyllwerte, die in ihrer Höhe sonst erst einen Monat später zu messen sind, deuten auf einen erheblich früheren Beginn der Vegetationsperiode im Wasser hin. Ursache dafür sind wahrscheinlich die relativ hohen Wassertemperaturen.

„Dies als Beleg für den allgemeinen Anstieg der globalen Erderwärmung anzusehen, halte ich allerdings für völlig übereilt, das wäre daher absolut unseriös, aber es ist immerhin bemerkenswert,“ fasst Prof. Baumann die ersten Ergebnisse zusammen. Die Hauptarbeit haben die Jülicher jetzt noch vor sich, „das Messen und Auswerten der Proben wird sich noch über Monate hinziehen“, so Baumann, „immerhin fängt jetzt auch wieder die Vorlesungszeit an, da bleibt nicht viel Frei-zeit für die Forschung, aber man muss sie sich einfach nehmen.“

Media Contact

Dr. Roger Uhle idw

Weitere Informationen:

http://www.fh-aachen.de

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