Verteidigungsstrategien und Heilungsprozesse von Algen

Dass Prof. Dr. Georg Pohnert jetzt am Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Jena arbeitet, beruht auf seinem Chemiestudium an der Universität Karlsruhe. Doch der neue Lehrstuhlinhaber für Instrumentelle Analytik könnte ebenso gut in der Biologie angesiedelt sein. „Ich sehe mich im Grenzbereich zwischen Ökologie, Pflanzenphysiologie, Organischer und Analytischer Chemie“, sagt der 38-jährige gebürtige Gelnhäuser. Sein Forschungsschwerpunkt macht deutlich, warum der engagierte Wissenschaftler diese fachliche Breite benötigt: Pohnert hat sich den marinen Algen verschrieben.

Bereits in seiner Promotion an der Uni Bonn, die er 1997 abschloss, untersuchte er die Pheromonchemie von Braunalgen. Er erkannte, angeleitet von seinem Doktorvater Prof. Dr. Wilhelm Boland, dem heutigen Direktor des Jenaer Max-Planck-Instituts (MPI) für Chemische Ökologie, dass bei diesen Algen, die an deutschen Küsten weit verbreitet sind, die sexuelle Befruchtung durch Duftstoffe geleitet wird. Diese Pheromone wirken auf ein Zusatz-Flagellum, ein zweites ,Steuerruder' des Algen-Spermiums, das den Kurs in Richtung Geruchsquelle, also zum Algen-Ei, steuert. Pohnert interessierte sich aber vor allem für die – wie er inzwischen weiß, instabile – Zusammensetzung des Duftstoffes und die Mechanismen dieser Kommunikation.

Von diesen biochemischen Arbeiten wechselte der Grundlagenforscher in die Biophysik. Bei einem Aufenthalt an der Cornell University (USA) charakterisierte er Phenylalaninrezeptoren. Sie dienen in Bakterien dazu, den Aufbau von Eiweißen (Enzymen) zu regulieren. Pohnert gelang es, die dynamische Regulation und „die Bindungstaschen eines Enzyms im Detail“ zu analysieren.

Das in den USA erworbene Wissen erweiterte er ab 1999 am Jenaer MPI, wo er eine Nachwuchsgruppe leitete, die sich mit dynamischen, chemischen Verteidigungsstrategien von Algen beschäftigte. Hierüber habilitierte er sich auch 2004 an der Jenaer Universität. 2005 folgte er einem Ruf auf eine Professur für Organische Chemie an die ETH Lausanne. Dank hohen Einsatzes der Jenaer Universität und einer Lichtenberg-Professur, mit der ihn die Volkswagen-Stiftung 2005 als einen von acht unter 51 Bewerbern auszeichnete und optimale Forschungsbedingungen ermöglichte, konnte er nach Deutschland zurückgewonnen werden. Gemeinsam mit seiner Frau und den drei Söhnen hat er sich inzwischen bereits wieder in Jena angesiedelt. Den Ausschlag gab „das exzellente Jenaer Netzwerk auf diesem Gebiet“, sagt Pohnert und das Angebot der Universität, „hier einen analytischen Schwerpunkt zu setzen“.

Hier in Jena beteiligt er sich nicht nur am Projekt der Exzellenzinitiative „Jenaer Schule für Mikrobielle Kommunikation“. Er lehre außerdem gerne und wolle, „dass die Studenten über den Tellerrand schauen“. In der Forschung setzt der begeisterte Langstreckenläufer trotz der Jenaer Binnenlandlage weiter auf Algen. Fasziniert ist er derzeit besonders von der Grünalge „Caulerpa taxifolia“. Diese bis zu drei Metern lange Alge besteht nur aus einer Zelle. Wenn sie beschädigt wird, setzt – anders als beim Menschen, der das Gewebe und nicht die einzelne Zelle repariert – ein spezieller Polymerisationsprozess ein, durch den die „Wunde“ blitzschnell verklebt wird. Prof. Pohnert will nun diesen Prozess detailliert analysieren und das „Heilungspolymer“ identifizieren.

Dass seine Erkenntnisse in der Zukunft in der Biomedizin zur Wundheilung genutzt werden könnten, hält Pohnert nicht für ausgeschlossen. „Doch“, so betont der Bioanalytiker, „mich interessiert zunächst der fundamentale Prozess in der Natur“.

Kontakt:
Lichtenberg-Professor Dr. Georg Pohnert
Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Jena
Lessingstr. 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948170
E-Mail: georg.pohnert[at]uni-jena.de

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Axel Burchardt idw

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