Neues vom Selbstmord der Zelle

Das Forscherteam aus Frankreich, Österreich, Dänemark, Italien, Schweden und Deutschland hat neue Erkenntnisse über Ablauf und Störung des programmierten Zelltodes gewonnen und damit neue Wege für die Behandlung von Krankheiten wie Aids und Krebs eröffnet.

Jede Sekunde sterben im menschlichen Körper mehrere Millionen Zellen den programmierten Zelltod (Apoptose). Ist das System gestört, sterben zu viele Zellen oder zu wenige. Bei Krebs beispielsweise ist das natürliche Zellsterben gehemmt, so dass die Krebszellen gedeihen und weiterleben können. Bestimmte Chemotherapien, die versuchen, den programmierten Zelltod in den Krebszellen auszulösen, wirken nicht. Mehr noch: Die Krebszellen entwickeln Resistenzen gegen die Chemotherapie.

Ist bei Krebs das geringe Zellsterben das Problem, so ist es bei Aids das erhöhte Zellsterben. Das HI-Virus bewirkt, dass die Immunzellen des Körpers schneller absterben und das Abwehrsystem des Körpers zusammenbricht. Auch bei Herzinfarkten und Schlaganfällen sowie bei bestimmten Erbkrankheiten spielt ein erhöhtes Zellsterben eine Rolle.

Wie und warum sich Zellen „entscheiden“ zu sterben, darüber hat das preisgekrönte internationale Forscherteam mit Prof. Dr. Klaus-Michael Debatin, dem Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm, neue Erkenntnisse gewonnen. Sie fanden heraus, dass die Mitochondrien, eine funktionelle Untereinheit der Körperzellen, den Zelltod mit kontrollieren. Wird die Hülle der Mitochondrien durch verschiedene Einflüsse durchlässig, werden Proteine freigesetzt, die zum Zelltod beitragen.

Die Erkenntnisse der Forschergruppe öffnen neue Wege in der Krebstherapie: So kann durch die genaue Untersuchung der Mitochondrien bestimmt werden, wie gut ein Leukämie-Patient auf eine Chemotherapie ansprechen wird. Die Pharmaindustrie will sich darauf konzentrieren, die gestörten Abläufe an der Mitochondrienhülle zu beeinflussen. Das preisgekrönte Team hat außerdem Strategien entwickelt, mit denen man Tumorzellen wieder zu einem natürlichen Absterben bringt.

Prof. Dr. Klaus-Michael Debatin beschäftigt sich seit Jahren mit Vorgängen des programmierten Zelltodes. Die Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, die Debatin als Ärztlicher Direktor leitet, hat einen renommierten kinderonkologischen Schwerpunkt. Professor Debatin zeigte sich hoch erfreut über den Preis. Bei der Eröffnung des neuen Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU) mahnte er am Wochenende: „Forschung braucht eine Spielwiese. Keine Innovation der letzten Jahrzehnte entstand nur geplant – auch nicht die für den Descartes-Preis.“

Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan hatte den Preis am 7. März in Brüssel übergeben. Sie freute sich über den Ulmer Erfolg und betonte bei der CCCU-Eröffnung am Wochenende in Ulm, dass Exzellenz in der Forschung durch eine Kombination aus guten Strukturen und klugen Köpfen entstehe – von denen Ulm einige aufbieten könne. EU-Forschungskommissar Janez Potocnik betonte in seiner Rede in Brüssel: „Für mich geht es in der Wissenschaft um Menschen. Wenn wir ihnen nicht die nötigen Mittel geben, gehen sie in andere Länder oder suchen sich andere Jobs.“

Die Forschungsergebnisse der Preisträger wurden seit 2001 über 50.000 Mal von anderen Fachzeitschriften zitiert – ein Beweis für ihre Bedeutung. Der Descartes-Preis wird seit sieben Jahren von der Europäischen Kommission mit einem Preisgeld von insgesamt 1 Million Euro an internationale Forscherteams verschiedener Bereiche vergeben.

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Petra Schultze idw

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