Kleine Flöße gegen Anthrax

Ob als Biowaffe missbraucht oder „nur“ in Form der Tierseuche – Anthrax, der Milzbrand, ist eine ernstzunehmende Bedrohung. Ein kanadisch-amerikanisches Team hat nun eine Methode entwickelt, um die Wirksamkeit eines Anthratoxin-Hemmstoffs zu erhöhen, wie sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie beschreiben: Die Wissenschaftler um Jeremy Mogridge (University of Toronto) und Ravi S. Kane (Resselaer Polytechnic Institute, Troy, NY, USA) bauen die Wirkstoffmoleküle so in Liposomen ein, dass diese sich in einzelnen Domänen anreichern, auf denen sie wie auf winzigen Flößen auf der Liposomen-Oberfläche „schwimmen“.

Die fatale Wirkung der Anthrax-Erreger beruht auf dem Zusammenwirken dreier verschiedener Gifte: EF (Ödemischer Faktor), LF (Lethaler Faktor) und PA (Protektives Antigen). PA geleitet die beiden anderen Giftstoffe in die Zelle, LF zerstört die weißen Blutkörperchen des befallenen Organismus. Wird die Bindung von LF an PA unterbunden, kann dieser nicht mehr in die Zellen eindringen, und das Fortschreiten der Krankheit wird gestoppt.

Vor einiger Zeit wurde ein Peptid entwickelt, das an PA bindet und damit die Bindung von LF blockiert. Dazu müssen mehrere Peptidmoleküle an PA andocken. Um die Peptide zu „bündeln“ wurden sie an ein Lipid (Fettmolekül) angeknüpft und diese Fettmoleküle in Liposomen, winzige Fettbläschen, eingebaut. Dabei muss eine bestimmte Konzentrationsschwelle an Peptid pro Liposom überschritten sein, denn die Peptidmoleküle müssen mindestens so nah beeinander sein, wie es der Entfernung zwischen den einzelnen Peptidbindestellen auf dem PA entspricht.

Das Team um Mogridge und Kane wollte die Peptide weiter zusammenrücken lassen und so die notwendige Konzentration weiter verringern. Die Hülle von Liposomen besteht, wie natürliche Zellmenbranen, aus einer Art zweidimensionaler Flüssigkeit aus Fettmolekülen. Die Zusammensetzung natürlicher Zellmembranen ist dabei nicht gleichmäßig, es finden sich winzige Domänen mit unterschiedlicher Zusammensetzung, die eine wichtige Rolle bei vielen physiologischen Prozessen spielen. Das geht auch bei Liposomen, wenn diese aus gesättigten und ungesättigten Fetten sowie 20 % Cholesterin hergestellt werden. So entstehen zwei verschiedene Phasen. Das Peptid reichert sich in einer der beiden an und „schwimmt“ dann, dicht bei dicht, wie auf winzigen „Flößen“ auf der Liposomenoberfläche. Die Anthrax-hemmende Wirkung der Peptide konnte auf diese Weise deutlich verstärkt werden.

Alternativ können die Mikrodomänen auch durch einen externen Stimulus, wie eine veränderte Ionenkonzentration, Temperatur, Licht oder Enzyme, erzeugt werden: So bilden etwa Liposomen, die das Lipid Phosphatidylserin (PS) enthalten, PS-reiche Domänen, sobald Calcium-Ionen zugegeben werden – eine Möglichkeit, Hemmstoffe erst am richtigen Zielort zu aktivieren.

Angewandte Chemie: Presseinfo 09/2007

Autor: Ravi S. Kane, Rensselaer Polytechnic Institute, Troy (USA), http://www.rpi.edu/%7Ekaner/

Angewandte Chemie 2007, 119, No. 13, 2257-2259, doi: 10.1002/ange.200604317

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69495 Weinheim, Germany

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Dr. Renate Hoer idw

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