Frühzeitig veränderte Reizverarbeitung bei Morbus Huntington – RUB-Neurologen identifizieren Biomarker

Die Muster der Verarbeitung akustischer Reize im Gehirn sind bei der Erbkrankheit Morbus Huntington bereits viele Jahre vor Erkrankungsbeginn verändert. Das hat ein interdisziplinäres Team aus Neurologen der Ruhr-Universität Bochum um Dr. Carsten Saft (RUB-Neurologie im St. Josef Hospital, Huntington-Zentrum-NRW) und Radiologen des Universitätsklinikums Münster (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer) mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie (fMRT) nachgewiesen. Für ihre Studie wurden sie jetzt von der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität mit einem der Pfizer Forschungspreise ausgezeichnet.

Der Verlauf ist individuell

Morbus Huntington ist eine seltene Erbkrankheit, die durch die Mutation eines bestimmten Gens ausgelöst wird, und eine Degeneration des Gehirns zur Folge hat. Erste Symptome wie psychische Veränderungen, Verhaltens- und Bewegungsstörungen treten meist zwischen dem 35. und dem 45. Lebensjahr auf. Später kommen intellektuelle Defizite bis hin zur Demenz hinzu. Der Verlauf der Erkrankung ist sehr individuell. Wer jedoch das mutierte Gen trägt, wird erkranken. International wird heute nach sogenannten Biomarkern gesucht, die anzeigen, wie weit fortgeschritten der Krankheitsprozess ist. Die Muster der Verarbeitung von Sinnesreizen, nachgewiesen im fMRT, könnten einen wichtigen Beitrag dazu liefern.

Kompensation des Gehirns bei der Verarbeitung von Tönen

Die Arbeitsgruppe um Dr. Carsten Saft spielte 16 Patienten, die bereits Symptome von Morbus Huntington zeigten, und 18 Genträger ohne Symptome sowie gesunden Kontrollpersonen neutrale Töne als akustischen Reiz vor, während die Aktivität der reizverarbeitenden Hirnbereiche mittels funktioneller Kernspintomographie aufgezeichnet wurden. Es zeigte sich bei den bereits erkrankten Testpersonen ein deutlich abweichendes Aktivierungsmuster im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen und noch nicht erkrankten Genträgern. Bei Gesunden und symptomfreien Genträgern war eine Aktivierung vor allem der linken Gehirnhälfte zu beobachten, während bei bereits Erkrankten und Probanden, bei denen aufgrund der Erkrankungsalters des vererbenden Elternteils recht bald mit dem Krankheitsbeginn zu rechnen war, eine stärkere Aktivierung der rechten Gehirnhälfte gemessen wurde. „Mit zunehmender Schwere der Symptomatik verlagert sich die Aktivierung des Gehirns bei akustischen Reizen mehr und mehr von links nach rechts“, beschreibt Dr. Saft. „Wir erklären uns das mit einem Kompensationsmechanismus des Gehirns.“ Die Ergebnisse der Studie stützen die These, dass die gestörte Hirnfunktion bei Huntington-Patienten nicht nur das motorische System, sondern auch die sensorische Reizverarbeitung betrifft.

Untersuchung könnte als Biomarker dienen

Dass diese funktionellen Veränderungen der sensomotorischen Wahrnehmung und Verarbeitung schon lange vor den ersten motorischen Symptomen auftreten, ist wichtig: „Wenn in Zukunft eine kausale Therapie für diese Erkrankung gefunden werden sollte, gewinnt die funktionelle Früh-Diagnostik an Bedeutung, um einen möglichst frühen Therapiebeginn zu ermöglichen und danach den Therapieerfolg zu verfolgen“, erklärt Dr. Saft.

Pfizer-Preise für herausragende medizinische Forschung

Mit den Pfizer-Preisen ehrt FoRUM (Forschungsförderung RUB Medizinische Fakultät) jedes Jahr herausragende Projekte, die aus den Mitteln der Medizinischen Fakultät gefördert wurden. Weitere Pfizer-Forschungspreise gingen an Dr. Ivo Quack für die Erforschung des Eiweißverlustes bei Nierenerkrankungen, Juniorprofessorin Dr. Kirsten Gehlhar, die die Details der Wirkung von Allergenen erforscht, und Dr. Jörg Timm für seine molekularbiologische Studie über das Hepatitis-Virus.

Weitere Informationen

Dr. Carsten Saft, Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum im St. Josef Hospital, Gudrunstraße 56, 44791 Bochum, Tel. 0234/509-1, E-Mail: carsten.saft@rub.de

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Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

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