Kölner Studie identifiziert neues Gen für kombinierte Hör- und Sehstörung

Das Usher-Syndrom ist eine durch Mutationen in verschiedenen Genen verursachte Krankheit, die mit einer angeborenen Hörstörung und anschließender Netzhautdegeneration (Retinitis pigmentosa) einhergeht. Letztere äußert sich zu Beginn durch Nachtblindheit. In der Folge schrumpft das Gesichtsfeld von peripher nach zentral, bis in Extremfällen nur ein kleiner mittiger Sehrest verbleibt. Das kann bei den Patienten zur Blindheit führen.

Beim schwerwiegendsten Subtyp des Usher-Syndroms werden die Betroffenen dann blind und taub. Die Häufigkeit des Usher-Syndroms in Deutschland wird auf 4 – 6/100.000 geschätzt. Acht verantwortliche Gene konnten bisher identifiziert werden.

Einer Arbeitsgruppe um den Humangenetiker Hanno Bolz von der Uniklinik Köln gelang nun in Zusammenarbeit mit deutschen und spanischen Partnern die Identifizierung eines weiteren Gens, das zu einem neuen Subtyp, Usher-Syndrom Typ 2D (USH2D), führt.

Dabei war erstmals eine „Kandidatenstrategie“ zielführend: Es ist bekannt, dass die verschiedenen Proteine, die durch die bisher bekannten Usher-Gene kodiert werden, ihre Funktion im Rahmen eines Netzwerks ausüben. In der vorliegenden Studie ging man davon aus, dass Veränderungen in anderen Proteinen, die mit diesem Netzwerk in Kontakt stehen, ebenfalls zum Usher-Syndrom führen können.

So geriet das Protein „Whirlin“ (kodiert durch das Gen „DFNB31“) in den Blickpunkt. Bei ihm war über seinen Zusammenhang mit dem „Usher-Netzwerk“ hinaus bekannt, dass seine Mutationen zu angeborener Taubheit führen.

Tatsächlich fand die Kölner Arbeitsgruppe Mutationen in einer deutschen Usher-Syndrom-Familie. Den scheinbaren Widerspruch, dass Betroffene „nur“ an angeborener Schwerhörigkeit, nicht jedoch an Taubheit leiden, erklären die Autoren so: „Wir nehmen an, dass es von der Lokalisation der Mutation im Gen abhängt, ob eine isolierte Taubheit oder eine kombinierte Schädigung von Auge und Innenohr, dann jedoch mit Resthören und normalem Spracherwerb, resultiert.“ Normalerweise sind für die Identifizierung neuer Gene aufwändige Untersuchungen großer Familien notwendig. Durch die alternative Anwendung der Kandidatenstrategie gelang der Kölner Arbeitsgruppe die Genidentifizierung in einer relativ kleinen Familie. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Human Genetics veröffentlicht.

Die Identifizierung des neuen Usher-Genes ermöglicht die molekulargenetische Diagnosesicherung bei Betroffenen. Der frühe Nachweis einer entsprechenden Genveränderung macht es notwendig, bei den betroffenen Patienten nicht nur das primär betroffene Sinnessystem, das Innenohr, sondern auch die Augen regelmäßig untersuchen zu lassen. Das Wissen um eine spätere Netzhautdegeneration erfordert, das Hördefizit möglichst konsequent zu behandeln (rechtzeitige Hörgeräteversorgung etc.), um dem Patienten wenigstens ein Sinnesorgan in seiner Funktion zu erhalten.

Darüber hinaus ist dann auch die Vererbungsform gesichert. Die Familien können detailliert beraten werden: Für Eltern Betroffener beträgt die Wahrscheinlichkeit, weitere betroffene Kinder zu bekommen, 25%. Für Betroffene selbst hingegen besteht – bei nicht blutsverwandtem Partner – eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass die eigenen Kinder erkranken.

Auch wenn eine kausale Therapie für das Usher-Syndrom noch nicht existiert, erweitert die Identifizierung der verantwortlichen Gene das Verständnis über die Krankheit – in der Hoffnung, auf dieser Basis später spezifisch behandeln zu können.

Literatur:
Ebermann I, Scholl HP, Charbel Issa P, Becirovic E, Lamprecht J, Jurklies B, Millan JM, Aller E, Mitter D, Bolz H: A novel gene for Usher syndrome type 2: mutations in the long isoform of whirlin are associated with retinitis pigmentosa and sensorineural hearing loss. Hum Genet 2006.
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