Gebündelte Kommunikation zwischen den Hirnhälften

Nur wenn linke und rechte Hirnhälfte zusammenwirken, können wir Sprache richtig verstehen. Die Brücke zwischen den Hirnhälften ist das Corpus Callosum (CC) - in der Abbildung als heller Bügel in der Mitte des Schädels zu erkennen. Max-Planck-Forscher haben nun herausgefunden, dass bei der Verarbeitung von Sprache der hintere Bereich des Corpus Callosum die entscheidende Mittlerrolle spielt. Sie untersuchten Patienten, die Schädigungen im hinteren oder vorderen Teil des Corpus Callosum haben: Nur bei Patienten mit Schädigungen im hinteren Corpus Callosum (rechter Teil der Abbildung) ist das Sprachverständnis gestört. Die eingefärbten Bereiche des Corpus Callosum zeigen an, wie viel Prozent der untersuchten Patienten an genau dieser Stelle geschädigt sind. Bild: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

Frage oder Antwort, Haupt- oder Nebensatz – nicht nur die Wörter, sondern auch die Betonung bestimmt die Bedeutung eines Satzes. Wie sich die beiden Hirnhälften austauschen, um die Grammatik und die Prosodie, die Sprachmelodie, in Beziehung zu setzen, haben Wissenschaftler des Leipziger Max-Planck Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften bestimmt. Die linke Hirnhälfte verarbeitet nämlich die Grammatik und die rechte die Prosodie. Für die Kommunikation wischen den Hirnhälften sorgen Bündel von Nervenfasern – das Corpus Callosum. Wie die Wissenschaftler jetzt herausgefunden haben, liegen die Faserbündel, die bei der Verarbeitung der Sprache zwischen den Hirnhälften vermitteln, im hinteren Bereich des Corpus Callosum (Neuron, 4. Januar 2007).

Wenn das Gehirn Sprache verarbeitet, spielen dem kognitiven Modell der Sprachverarbeitung zufolge zwei Dinge eine Rolle: die Grammatik und die Prosodie, die Sprachmelodie. Für das Verständnis eines Satzes ist es nicht nur wichtig, dass er grammatikalisch korrekt formuliert ist, auch die Betonung bestimmt die Bedeutung.

So kann der Satz

„Der Mann sagt die Frau kann nicht Autofahren“

je nach Betonung entweder bedeuten, dass die Frau nicht Autofahren kann:

„Der Mann sagt, die Frau kann nicht Autofahren“

oder aber das genaue Gegenteil!

„Der Mann, sagt die Frau, kann nicht Autofahren.“

Aus dem Zusammenspiel von grammatischer und prosodischer Information erkennt das Gehirn, welchen Sinn ein Satz ergibt. Bestimmte Areale in der linken Hirnhälfte verarbeiten dabei die Grammatik und Wörter, einzelne Bereiche in der rechten Hirnhälfte erkennen die Sprachmelodie. Zum korrekten Sprachverständnis müssen sich die Hirnhälften also austauschen. Dazu nutzen sie das Corpus Callosum, eine Art Brücke zwischen den Hälften. Wissenschaftler aus der Abteilung von Prof. Angela Friederici am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig haben nun herausgefunden, dass das hintere Drittel des Corpus Callosum beim Sprachverständnis zwischen den beiden Hirnhälften vermittelt.

Das Corpus Callosum verbrückt die beiden Seiten des Gehirns nämlich nicht einfach, vielmehr verbinden einzelne Faserbündel jeweils genau definierte Bereiche der Hirnhälften. Im vorderen Teil der Brücke liegen diejenigen Faserbündel, die die frontalen Regionen der beiden Hirnhälften miteinander verknüpfen, während die Fasern im hinteren Teil der Brücke die weiter hinten liegenden Regionen der Hirnhälften miteinander verbinden.

Die Forscher haben untersucht, ob Patienten, bei denen jeweils verschiedene Teile dieser Brücke verletzt sind, Sprache normal verarbeiten können. Dabei beobachteten sie mit neurophysiologischen Messverfahren, ob und wie Schädigungen in den unterschiedlichen Bereichen die Sprachverarbeitung beeinflussen. Sie stellten dabei fest, dass sich nur bei Patienten, bei denen das hintere Drittel des Corpus Callosum geschädigt ist, die Hirnhälften dabei nicht wie nötig austauschen können: Das Zusammenspiel zwischen grammatischer und prosodischer Information ist gestört.

Originalveröffentlichung:

A. D. Friederici, D. Y. von Cramon, S. A. Kotz
Role of the Corpus Callosum in Speech Comprehension: Interfacing Syntax and Prosody, Neuron, 4. Januar 2007

Media Contact

Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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